Geschichten von Schwertern und Zauberei

Grab im Tunnel-1

This entry is part 1 of 6 in the series Grab im Tunnel

Eckert: Im Tunnel

Die Balken geben stöhnend nach, bersten und die Erde prasselt herunter. Ich reiße die Arme instinktiv nach oben und mir wird das Schwert aus der Hand geschlagen. Ein Stein prallt auf meine Schulter und ich versuche nach vorne zu springen, zwischen zwei Stützbalken. Etwas schlägt auf meine Beine hält mich fest, mehr Erde prasselt herunter. Ich versuche mich herauszuwinden. Ich höre Latam und Bengas schreien, die beiden waren direkt hinter mir. „Hilf mir“ schreie ich, und strecke meine Hand aus, Erdkrümel fallen in meinen Mund. Latam beugt sich über mich, greift meine Hand. Bengas zerrt ihn weiter. Meine Beine stecken fest. Er versucht sich loszureißen und ich packe fester. Meine Hand krallt sich in seinen Arm, die Knöchel stehen weiß hervor. Er dreht sich um keuchend, hebt den Hammer, sein irrer Blick bohrt sich in meine Augen, er wird mir den Schädel einschlagen, aber lieber so!

Über ihm bricht der Deckenbalken, das lange Ende schwingt nach unten und sein Helm zerknittert wie Papier. Drückt den riesigen Nubier nach unten. Mehr Erde fällt herunter. Begräbt ihn und mich unter ihm. Der Druck auf meine Brust nimmt zu, ich höre noch Bengas schreien und die Schreie meiner Leute, ich kann nicht schreien, mir wird die Luft aus der Lunge gepresst. Die Lampe wird verschüttet. Es wird dunkel und still.

Eckert: Auf dem Feld – eine Stunde zuvor

Das Schild sinkt einige Fingerbreit, wie jedes Mal, wenn mein Gegner sich zum Schlag entschließt. Ich reiße die Pieke nach unten. Sie zieht eine tiefe Furche über den Klingenbrecher, verhakt kurz am Übergang zur Brustplatte, dann reißt das morsche Leder und ich zerre die Spitze durch Rippenknochen und Herz meines leider untoten Gegners. Immerhin ist sein Hieb aus dem Schwung und Gregor unterbricht den Schlag des Schwertes mit Leichtigkeit. Ich setze die Pieke zurück. Aufmerksamkeit nach rechts, aber der Frischling ist aufmerksam und ihr Schild deckt meine exponierte Schulter. Ich mache mich bereit zum nächsten Streich, aber der Zombie vor uns taumelt rückwärts. Sein Schwert samt Hand liegt jetzt zwischen den Reihen und auch sein Schildarm hängt nur noch an wenigen Fetzen, immerhin. Hoffentlich gehen den Fleischschneidern irgendwann die Ersatzteile aus –  als ob.

Gregor lacht. „Und wieder einer weniger, nur noch etwa 200“. Gregor lacht immer und Gregor hat auch immer gute Laune und strahlend weiße Zähne und goldene Locken. Ich würde ihn wirklich hassen, wenn er nicht außerdem einer der besten Krieger im Troß wäre. Geborener Anführer und weder zu feige noch sich zu schade, beherzt die Lücke zu schließen, die entstanden ist, als der Bluthund neben mir von den Reihen der Untoten verschluckt wurde.

Der junge Bluthund war heldenhaft nach vorn zwischen die Schlachtreihen gesprungen. Hatte gekonnt den Unterhauptmann auf der Gegenseite durchbohrt und dann mit schreckgeweiteten Augen realisiert, dass sein Gegner nicht zusammenbrach. Hätte er dann das „Schwert-seines-Vaters“ losgelassen, hätte er aus dem Fehler lernen können. So hat er noch eine Weile geschrien und liefert genau jetzt wahrscheinlich den neuen Schwertarm für meinen Gegner von eben.

Wie dem auch sei, Gregor war in die Bresche gesprungen, mit einem ernst gemurmelten „Armer Kerl“ und deckte nun meine linke Seite als Zeiger. Klassische Formation aus zwei Handwaffen mit Tropfenschild und dazwischen eine Pieke. Einfach und bewährt und mit der ebenso klassischen Unterstützung aus zwei weiteren Schildträgern in der zweiten Reihe, kann so eine Faust beinahe ewig in der Linie stehen.

Dass der Linienkommandant jetzt aber neben mir gutgelaunt in der Bresche steht und keine Anstalten macht wieder zu verschwinden, bedeutet aber auch, dass es mit der zweiten Reihe schlecht aussieht. Ich habe zwei Anwärter, Latam und Bengas, vor wenigen Augenblicken zu den Feldscheren geschickt, um nach Conrad zu sehen. Die Feldschere sind direkt am Tunnel, dessen Eingang wir bewachen und in dem unsere Sappeure sich seit Tagen abschuften.

In der Zeit, in der ich euch das erzählt habe, hatte ich noch zwei weitere untote Soldaten zur vorübergehenden Ruhe gesetzt. Aber so langsam hatten wir wohl die gegnerische Aufmerksamkeit geweckt. Und ich sehe mit einer gewissen Sorge zwei Bogenschützen in unseren Bereich der Linie pirschen.

Was ich aber auch sehe ist die Staubwolke aus Richtung des Heerlagers und zwischen dem Staub immer wieder die verschlungenen Drachen und Schiffe auf den Standarten. Es würde gar nicht mehr lange dauern, bis die Nordleute dem Untoten Feind in den Rücken fallen würden. Ich kann nur hoffen, dass es rechtzeitig ist. Bis dahin, überleben.

Eckert: Die Leere

Mit dem großen Heer im Anmarsch breitet sich bei uns leiser Optimismus aus. Aber auch die Untoten haben den Entsatztruppen bemerkt und intensivieren ihre Angriffe, bedrängen unsere dünne Linie noch einmal heftiger. „Haltet die Linie, Halten.“

Es wird still. Ich habe eben noch Kommandos geschrien und die Schreie der Kämpfenden und Verwundeten gehört. Jetzt pocht mir nur noch das Blut in den Ohren. Mir fällt das Atmen schwer.

Das nächste Monster vor mir sieht aus, als wäre es lieblos aus den größten und hässlichsten Stücken Fleisch zusammengeflickt worden, die ein Nekromant finden konnte. Den stinkenden Muskelberg krönt ein viel zu kleiner Kopf mit unterschiedlich großen Augen. Dafür ist das Vieh so groß, dass der erste Pfeil über meine Schulter geht und den zweiten hat der Frischling auf ihrem Schild gefangen. Sie wird dabei kreidebleich und ihr Arm sinkt deutlich. Verdammt das sieht so aus, als ist der direkt durch und in den Arm. Für Mitleid bleibt keine Zeit, die mächtige Keule segelt runter, Mist die Pfeile haben mich abgelenkt, der Schwung muss viel früher raus. Aber immerhin schaffe ich es die Pieke so zum Dach zu machen, dass die Keule nach links auf meinen Zeiger abgleitet. Der zieht den Kopf noch gerade zur Seite und zurück, dann dellt die Keule seinen Schildrand bis zum Arm runter ein. Verdammt warum schaut der Idiot nach hinten. Ich versuche mich auf den Rückschlag vorzubereiten. Gregor ist zusammengekauert, er zupft an meiner Hose. Packt dann fest und versucht mich runterzuziehen. Ich hör den Frischling meinen Namen schreien und dann macht es auch bei mir Klick und ich lass mich fallen.

Die Luft über mir kocht, der Sauerstoff wird herausgezogen und brennender Regen fällt mir auf den Handrücken.

Und es ist immer noch totenstill. Ich schaue vorsichtig hoch. Ein guter Zacken ist aus der gegnerischen Schlachtreihe gebrannt. Von dem Unhold stehen nur noch die Knie. Und rund um ihn herum weitere verkohlte Stümpfe. Sogar den beiden Bogenschützen in gut 20 Metern Entfernung wurde das Gesicht gekocht, sie starren aus blicklosen weißen Augäpfeln und ihre Bögen kokeln.

Zwischen ihnen stehen zwei leere weiße Rüstungen.

Meine Pieke ist verbrannt, ich taste am Boden nach dem Schwert, das vorhin heruntergefallen ist. Die Hand ist glücklicherweise schon runtergefallen. Alex schaut mich kreidebleich an. Sie bewegt die Lippen. Ich kann sie nicht hören, aber ich weiß, was sie immer wieder sagt. „Phobosar“. Unbesiegbare Puppen und pure Manifestation des Nichts.

Mir wird heiß. Schräg hinter uns steht Estell dan Groh, die korpulente Feuermagierin, die für die Flammenwalze verantwortlich war. Sie wirkt hektisch, aber konzentriert und die Luft um sie flimmert wie an einem Sommertag und es wird zunehmend heißer während sie den nächsten Spruch vorbereitet. Gregor versucht einen Schritt auf sie zu, aber seine Haare beginnen zu kokeln noch bevor einer ihrer beiden Leibwächter ihm den Weg versperrt. Dante der zweite erfahrene alte Eber den ich heute dabei habe, winkt heftig und zeigt in Richtung des Tunnels. Ich packe Alex und zerre sie hinter mir her, bis sie von alleine läuft.

Wir sind auf halbem Weg zum Tunnel als ich den Schrei höre, er ist das einzige Geräusch auf der Erde. Alle Muskeln in meinem Körper erstarren auf einen Schlag, dann erschlaffen sie alle auf einmal und ich stürze und überschlage mich wie eine Stoffpuppe.

Ich bleibe mit dem Gesicht nach hinten liegen. Die Puppenspielerin ist direkt neben dem linken Leibwächter manifestiert. Aus unmittelbarer Nähe hat ihr Schrei den Leibwächter verflüssigt. Der zweite schwankt noch einen Augenblick, dann fällt auch seine Rüstung leer zu Boden. Gregor steht überraschenderweise noch, macht aber keine Anstalten zu kämpfen, sondern rennt in unsere Richtung los.

Wir haben uns über die dickliche eingebildete Feuermagierin immer reichlich lustig gemacht. Wüstensukkulente war sicher noch der freundlichste Spitzname. Aber sie steht völlig entschlossen vor der Nyx, mit einem kleinen Lächeln- während die Flammen an ihrem Körper hochschlagen und immer heftiger und höher brennen.

Gregor kommt bei uns an.

Wird fortgesetzt…

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