Geschichten von Schwertern und Zauberei

Der Kohler – 11

This entry is part 11 of 25 in the series Der Kohler

Der Sturz

Jannis wurde klar, dass er stürzte. Gerade als er den Mund aufriss, um erschrocken zu schreien, schlugen ihm Zweige ins Gesicht, er ruderte wild mit den Armen, bekam einen dünnen Ast zu fassen. Die raue Borke grub sich in seine Handfläche, als er panisch zu packte. Ein Ruck ging durch seine Schulter, sein Kopf schlug nach hinten, dann überholten ihn seine Beine und der neuerliche Ruck ließ ihn den Halt verlieren. Er stürzte jetzt immerhin mehr oder weniger mit den Füßen voran weiter, während dünne Zweige und dürre Äste an ihm rissen. Er schlug mit einem Fuß auf einem dickeren Ast auf, sein linkes Knie knirschte und er wurde Gesicht voran gegen den Stamm geschleudert. Seine Nase gab nach und seine Zähne gruben sich in seine Lippen. Wie ein Blitz durchfuhr ihn in der Dunkelheit der Aufprall, aber er klammerte sich an den Stamm, rutsche den Stamm entlang ein Stück den Baum herunter. Dabei ließ er reichlich Kleider und Haut dran hängen. Die nächste Astgabel stoppte ihn. Der Baumstamm quetschte ihm die Hoden, der Ast schlug ihm mit seinem ganzen Gewicht an das Steißbein. Der doppelte Schock raubte ihm den Atem. Er bekam tatsächlich keine Luft mehr. Sein Adamsapfel zuckte trocken auf und ab, als sich sein Zwerchfell verkrampfte.

Die Sterne, die er seit dem Aufprall vor Augen sah, wurden größer, liefen ineinander und er verlor das Bewusstsein.

Am Fuß der Klippe sammelte sich im Frühling das Schmelzwasser, hier im sumpfigen das ganze Jahr über feuchten Bereich des Tiefwaldes setzten sich Birken und Schwarzerlen gegen Eschen und Eichen durch. Am tiefsten und feuchtesten Ort, direkt an der Klippe, hatten sich aber einige Sumpfeiben gehalten. Sie standen fast im Kreis um den kleinen Tümpel, am Fuß des Felsens und über ihnen thronte ein uraltes mächtiges Exemplar ihrer Gattung. Die Hälfte der Wurzeln hatte sie in den Felsen gekrallt und die anderen im torfigen Wasser versenkt, der breite Wurzelstock streckte sich über mehrere Meter im Halbkreis in das Wasser, entlang der Klippe und füllte fast ganz eine Höhle im Felsen. Ihre kargen Äste hatten Jannis Sturz unsanft aufgefangen und er glitt langsam an ihrem rauhen Stamm herab.

Ein zweiter Körper stürzte die Klippe herab, weiter im Bogen von kräftigen Armen in die Nacht geworfen, fiel er vorbei an ihren Ästen. Marie fiel, zerbrochen und ohnmächtig, seitdem ihr Hinterkopf auf den harten Boden des Gasthofes geprallt war, geräuschlos, bis sie in das torfige Wasser klatschte. In ihrer zerrissenen Tunika sammelte sich etwas Luft und einen Moment lang trieb sie im Wasser. Dann ging sie langsam unter und sie versank im Tümpel, bis sie auf dem Wurzelgeflecht zu liegen kam. Das kalte trübe Wasser wusch das Blut aus ihren Wunden. Es füllte sanft Mund, Nase und Lungen, verdrängte die Luft, stoppte ihr Herz.

Wird fortgesetzt…

Der Kohler – 12

This entry is part 12 of 25 in the series Der Kohler

Meilerbau

Esel und Ziege hatten eine unruhige Nacht hinter sich, der Kohler hatte sich gewälzt und gestöhnt und war schließlich noch vor dem Morgen aufgestanden. Jetzt tastete er sich ungeschickt durch die dunkle Hütte zur Tür und stieß sich unsanft den Kopf am Türstock. Der frühe Morgen war dunkel und eiskalt, der Weg zum Klohäuschen taufeucht und klamm. Endgültig wach von der Kälte, machte er sich mit Wasser, Äpfeln und Graupen ein Frühstück zurecht, dass er in den Herd stellte, um es warm zu machen. Während das leise blubberte, füllte er durch das kleine Fenster zum Anbau die Tröge von Esel und Ziege und warf den Hühnern eine Handvoll Graupen hin.

Mit einer dampfenden Schale in der Hand trat er schließlich wieder vor die Tür. Es war schon fast hell, aber die Sonne stand noch lange nicht über den Bäumen. Auch der neue Stapel Zweige und Äste, den sie gestern mitgebracht hatten, war wild umhergeworfen und der Zugang zum halbfertigen Meiler war reichlich zertreten, aber am Gatter schien sich nichts zu schaffen gemacht zu haben. Der Kohler zuckte mit den Achseln, stellte den Haferbrei zur Seite und begann auf seinem Pechstein einen kleinen Meiler zu errichten. Er lehnte sechs Scheite aufrecht aneinander und stapelte anschließend gespaltene Äste im Kreis darum auf. Die neigte er immer leicht nach innen, so dass sich nach einer Weile ein stumpfer eng geschichteter Holzkegel formte. Nach vorne ließ er eine etwa armdicke Lücke und platzierte an strategischen Stellen lange Äste, die bis nach innen zu den Anfangsscheiten reichten. Als er mit Höhe und Form des Pechmeilers zufrieden war, legte er sich einige frische Zweige zurecht und ging hinter seine Hütte. Hier war ein Haufen feuchter Lehm, von dem er Schaufel, um Schaufel nahm, um damit auf einer Schicht frischer Zweige einen dichten Lehmmantel auf dem kleinen Meiler aufzutragen.

Lehmbeschmiert setzte er sich zum Spaltklotz und stellte die Schale des zu kaltem Glibber erstarrten Brei zur Seite. Er nahm sein Waldmesser zur Hand und begann schmale Späne von einem Kiefernscheit zu hobeln.

***

Ennu und Bent waren seit dem Appell am Morgen unterwegs. Ihr Wagen, ihre Fracht also auch ihr Arsch, falls sie die Rekruten nicht wieder einfingen. Sie waren der Spur von der Pechsiedersiedlung bis zum großen Waldweg gefolgt und hatten sie dort verloren.

„Sollten wir bis zum Waldrand dem Weg folgen“ Ennu suchte vergeblich nach Fußabdrücken am Boden oder Mantelfetzen im Unterholz.

„Brauchst nicht im Wald nachzusehen,“ meinte Bent, „die Kinder kommen aus dem Dorf, dorthin fliehen sie auch zurück“.

„Aber die Eltern haben sie nie gesehen, wenn sie es bis dahin schaffen, sind sie weg“.

„Mag schon sein, ich wette mit dir, wir können sie beim Unterstand stellen“ Bent lief los.

Am Unterstand hatte der Zug gestern keine Pause eingelegt. Sie waren ein gutes Stück hinter dem Trupp gewesen und hatten nur hoffnungsvoll auf die gemütlichen Bänke schauen, können, während Klaas sie antrieb. Etwa drei Stunden, wie die Wagen fuhren und zwei Stunden mit straffem Schritt entfernt, wäre hier ein guter Ort für die frischgebackenen Deserteure, um eine Rast einzulegen.

Die Beiden liefen eine Weile still hintereinander her. Die Mitte des Waldweges war flach getreten, die Ränder von den schweren Rädern der Wagen zerwühlt, die sie gestern hier durchgeführt hatten. Der Weg wurde trockener und steiniger, je weiter sie zurückkamen.

„Was meinst, werden sie die drei laufen lassen, wenn wir sie nicht finden.“ Bent schloss auf.

„Ich hoffe nicht“ Ennu keuchte und wich einem Schlagloch aus „die Kräftige mit den dunklen Locken kennt sich mit Tieren aus, die gibt einen guten Preis. Ein Preis den wir beide ersetzen müssen.“

„Ja, wir und die anderen in der Rotte, der größte Teil aber bleibt beim Rottmeister“

„Was soll daran gut sein? Wir sind den ganzen Sommer mit Klaas auf Reise. Hast du sein Gesicht gesehen, als er sich über Anderklass hergemacht hat.“ Ennu spuckte aus.

„Kannst ja in Viaris Rotte wechseln…“

„Lieber von Klaas gefickt werden, als meine Eier abgeben“.

Bent blieb stehen: „Weiß nicht, ob die Kleine aus dem Dorf das genau so gesehen hat. Wir sind da, mach langsam“

Der Boden des Unterstandes und die Lichtung davor war zertreten und unordentlich. Der Eisenkäfig hing noch immer offen, das Feuer in der Feuerstelle war ausgegangen und nur noch einige halb verbrannte Scheite und der umgeworfene Kessel zeugten von dem Besuch der Truppe gestern.

„Weder Hund noch Katz hier“ Bent stocherte in den Kohlen, trat gegen den Holzhaufen und schmiss die Deckel der Kohlentruhen auf.

Ennu hatte wieder Atem gefunden. Er saß auf einem der Holzstümpfe, die statt Stühlen, um das Feuer angeordnet waren: „Lass uns einen Moment die Ruhe genießen“ Er kramte in seinem Beutel nach einer Knasterpfeife. „Werden wir lange keine mehr haben“ er zündete die Pfeife an. Die Hanfsamen knackten und knisterten, als das grobe Hanf und Tabak Gemisch glühte.

„Wird unsre letzte Ruhe werden, wenn wir die drei nicht finden. Wird noch schneller vorbei sein, wenn uns ein Offizier beim Quarzen im Wald findet“

„Entspann dich, das schärft meinen Scharfsinn, ich kann dann besser denken.“ Ennu kicherte, Bent schnaubte: „Ich denke wir sollten den kleinen Weg dort entlang gehen und schauen, wen wir dort finden“

„Ja, hier geht ein Weg ab! Das muss zur Hütte von dem Köhler gehen, der hier im Wald arbeitet.“

Bent schaute Ennu zweifelnd an: „Woher weißt du das denn?“

Ennu kicherte noch einmal und salutierte mit der Pfeife.

„Dann schauen wir doch bei ihm vorbei, Vielleicht hat er die Kätzchen ja gesehen

Der Morgen war schon fast Mittag geworden und hatte den Tau und die Kälte abgeschüttelt. Das Sonnenlicht blitzte durch das frühe Blattwerk der hohen Bäume, zeichnete Schatten und Licht in Mustern vor den beiden auf den Waldboden und spiegelte sich in den letzten Schneeresten.

Ennu und Bent waren dem kleinen Weg vom Unterstand zur Hütte des Köhlers gefolgt, die beiden empfanden keine besondere Wertschätzung für die Lichtspiele am Boden und auch nicht für die Ausbesserungsarbeiten am wintergeschädigten Weg, sie nahmen das wahrscheinlich gar nicht wahr, leider.

Aber sie nahmen den Kohler war. Zuerst trat Ennu auf die Lichtung des Kohlerhofes und blieb unwillkürlich stehen. Das Licht der Vormittagssonne strahlte gerade über die Baumwipfel aus der Richtung, aus der er gerade gekommen war. Das Licht fiel auf die hünenhafte lehmverschmierte Gestalt im nordwestlichen Ende der Lichtung. Die saß schräg vor einer Hütte zwischen zwei unterschiedlich großen Erdhügeln und lehnte an einem Baumstumpf. Mit einem armlangen Messer schabte der Mann lange Späne von einem dicken Holzscheit.

Bent rempelte ihn von hinten an: „Pass doch auf“ fluchte er, aber blieb auch stehen, als der Glatzkopf seinen Kopf zu ihm wandte. Er stieß Ennu nach links, machte selber ein paar Schritte nach rechts und zog sein Schwert halb.

Wird fortgesetzt…

Der Kohler – 13

This entry is part 13 of 25 in the series Der Kohler

Meilerbau – 2

Der Kohler hatte sich überrascht aufgerichtet, als die beiden Männer auf die Lichtung kamen. Er machte einen instinktiven Schritt nach vorn, in seiner linken Hand hatte er eine faustvoll Späne, das Waldmesser hielt er vor seinem Bauchnabel, mit leicht gestrecktem Arm zeigte die Spitze auf die Augen des schmalen Bewaffneten, der gerade seinen Kumpanen nach rechts gestoßen hatte und nun vorsichtige Schritte zur anderen Seite machte. Er atmete tief ein und warf Messer und Späne auf den Boden vor sich. Er duckte sich und streckte die Hände vor sich.

Bent sah, wie der große Kerl aufsprang und in einer Wolke aus Holz und Späne sein Messer wegwarf. Er atmete erleichtert auf. Ennu maulte etwas Unverständliches und drehte sich zu ihm um.

Er ging auf den geduckten Mann zu. Der starrte mit leicht geöffnetem Mund auf den Boden. „Wohl dem Kaiser mein Bester“ Der Riese schaute ihn mit schrägem Kopf von unten an, aber wich seinen Augen aus. “Bist du der Köhler?“ Der andere blinzelte, wippte auf den Füßen, stumm. “Hey! Versteht du mich?“

Ennu kicherte als der Esel aus dem Anbau lautstark grüßte: „Da haste den Hausherren.“

„Ob. Du. Mich. Verstehst“ Bent sprach langsamer und lauter. Er musterte den Mann vor sich. Der hatte eine schmutzige Bruche und Holzschuhe an, sonst war er nackt. Seine Hände und Arme waren mit Lehm beschmiert, auch Gesicht und Bart hatten Erde abbekommen. An seinen Armen zeigten sich sehnige Muskeln, seine Haut am Bauch und an den Hüften hing etwas lose, als hätte er im Winter einiges an Federn gelassen. Am auffälligsten war die lange rot gezackte Narbe, die sich von der Hüfte – aus der Mitte der tief sitzenden Hose –  links am Bauchnabel vorbei auf der linken Bauchseite bis zu den ersten Rippen hoch zog.

„Hast. Du. Jemand. Gesehen?“

Der große Mann blieb geduckt, schaute ihn blinzelnd and. Er fasste sich langsam an den Bauch und rieb seine Narbe. Ennu stieß ihn von der Seite an. „Großer Bastard, hm? Doof dass du auf den Kopf gefallen bist. Kannst uns auch nicht weiterhelfen oder? Suchen eine Handvoll Jugendliche, zwei Jungs, ein Mädel.“

Der Kohler dreht sich zum Größeren der beiden Eindringlinge auf seiner Lichtung. Er richtete sich auf und runzelte die Stirn.

„Genau! Ein Mädchen, hast du es gesehen?“ Ennu packte ihn am Arm, als er einen Schritt zurück machen wollte. Es raschelte im großen Erdhügel. Beide fuhren herum. Ennu machte vorsichtig einen Schritt auf den halbfertigen Meiler zu.

„Hast du sie versteckt“? Bent musterte den Köhler, der zwischen ihm und dem Meiler hin und her schaute und heftig den Kopf schüttelte. Bent grinst breit, er zog sein Schwert „HaHaaa“! sprang er in die mannshohe Öffnung. Er stocherte mit dem kurzen Schwert zwischen die Holzscheite „Ha!“.

Es quiekte erschrocken im Mailer, dann explodierten die Holzscheite nach außen und Bend sah einen grunzenden schwarz und weiß gefleckten Keiler auf sich zukommen, warf sich zur Seite um auszuweichen. Er schrie laut auf als sich die kleinen harten Hufe in seinen Oberschenkel gruben, die rauen Borsten an der Seite kratzten an seiner Schulter, er spürte einen heftigen Stoß, dann war das Tier an ihm vorbei, prallte gegen den Pechstein und floh grunzend in das Unterholz dahinter.

Ennu hatte aufgehört zu kichern, er lachte hustend und klopfte auf die Lehmwand des Meilers. Bent rappelte sich auf. Er schaute sich wütend um und fokussierte auf den Köhler

Der Kohler versuchte zurück zu weichen, als der stämmige Bewaffnete auf ihn zu stürmte, aber der packte ihn am Bart, zog sich am Bart nach oben und gab ihm eine Ohrfeige. Der Kohler ging zu Boden und rollte sich zusammen. Einige Tritte später hörte Bent auf ihn zu quälen. Er stand über dem zusammengekauerten Mann und drehte sich zum immer noch hustenden Ennu um: „Wenn du nicht gleich deine dumme Lache verschluckst, werde ich sie dir in’s Hirn treten.“ Der schluckte und verstummte.

Bent trat noch einmal nach dem Idioten, dann ging er von der Lichtung, ohne sich noch einmal nach Ennu oder dem Kohler umzudrehen. Ennu sammelte sich: „Hey, Idiot, wenn du jemanden siehst, dann kommst du zu uns, zu uns, sonst kommen wir wieder.“ Der Kohler schaute hoch; er sagte nichts. „Wir sind in der Pechsieder Siedlung.“ Ennu stieß den am Boden liegenden mit dem Fuß: „Hast du mich verstanden?“ Der Kohler nickte, er schaute den beiden Männern noch lange nachdem sie die Lichtung verlassen hatten hinterher.

Nach einer Weile fing er an zu zittern, er stöhnt und schlug mit den Fäusten auf den Boden, presste sich die Hände in das Gesicht. Zitternd wiegte er vor und zurück. Er hatte die Augen fest geschlossen, den Esel hörte er erst, als der das dritte Mal laut tönte.

Immer noch zitternd stand schließlich auf, er streckte sich und rieb sich die schmerzenden Arme. Er richtete halbherzig die Schäden am kleinen Meiler auf dem Pechstein, dann sah er sich die Schäden am Großen an. Im großen Holz und Lehmhaufen fand er die Spuren von zwei Nachtlagern, eine Seite des Meilers hatte heute Nacht der Eber besetzt, der ihn seit dem letzten Herbst belästigte. Er hatte sich wie gewohnt in die Scheite und Äste eingegraben. Auf der anderen Seite des zentralen Scheithaufens waren die Anzeichen weiterer nächtlichen Besucher. Dem Loch im Mailer nach zu urteilen hatten sich mindestens zwei vielleicht auch drei Menschen hier verborgen, die er heute Morgen nicht bemerkt hatte. Spuren führten vom Meiler hinter seine Hütte und von dort in den Wald. Hier verlor sich die Spur.

Mit einer Handvoll Äste kehrte der Kohle zum Meiler zurück, er stellte einige der zentralen Scheite neu auf. Er griff nach einem dicken Ast, der völlig falsch lag. Von den nächtlichen Gästen achtlos in einem dichten Haufen zusammengeschoben.

Mit dem dicken Ast in der Hand richtet er sich langsam auf. Sein Kopf stieß an das halbfertige Dach aus Lehm und Zweigen. Er drückte seinen Hinterkopf gegen das Dach, fester und fester, bis sein Kopf durch die dünne Lehmdecke des Meilers brach. Er packte den Ast mit beiden Händen, brach ihn entzwei und schlug die beiden Hälften gegen die aufgestapelten Holzwände, trommelte gegen die beiden Wände, bis sie nachgaben und links und rechts von ihm zusammenbrachen.

Nach dem Ausbruch schien er ruhiger zu atmen, er schaute sich auf der verwüsteten Lichtung um und schüttelte den Kopf. Er sammelte den Teller mit seinem Frühstück ein, versorgte seine Tiere und belud den kleinen Wagen mit einer Auswahl von Äxten und Werkzeugen.

Wird fortgesetzt…

Der Kohler – 14

This entry is part 14 of 25 in the series Der Kohler

***

Das Blut klebte Hemd und Hose an seine Haut. Jeder Schritt zog den klaffenden Riss im Bauch auseinander, Schlingen seines Darms blitzten, der Zug der losen hängenden Innereien schmerzte bei jeder Bewegung und erfüllt ihn mit panischer Angst. Er hatte keine Erinnerung an den Aufstieg zum Hochpass oder die letzten Stunden. Er war im Regen aufgewacht, im Dunkeln, Stunden oder Tage nach der Schlacht.

Jeder stolpernde Schritt brachte ihn ein kleines Stückchen weiter weg von mehr Gewalt und genug Tod, als ein Mann ertragen konnte, vom blutigen Sterben seiner Freunde.

Immer weiter taumelte er, nur weg von den Leichen, von den Feinden, von den Freunden, vom süßlichen Geruch nach Blut, dem Gestank des Schlachtfeldes und von dem Versprechen, dass er gebrochen hatte.

Wird fortgesetzt

Der Kohler – 15

This entry is part 15 of 25 in the series Der Kohler

Verrat und Pläne am Morgen im Lager

Die drei Wildhüter waren gerade dazu gekommen, als Matjas den armen Steuereintreiber verriet. Anderklaas hatte am Ende der dritten Wache den Fehlbestand im Talgedier Wagen bemerkt und Alarm geschlagen. Klaas war als erstes auf den Beinen. Er rüttelte den Rest seiner Rotte wach und schiss dann erst einmal Anderklaas so richtig zusammen.

Der unsanft geweckte Uskar hatte antreten lassen. Nachdem er gesehen hatte, dass nur Rekruten aus Talgede verschwunden waren, rief er Harald zu sich: „Das ist dein Affe, sieh zu, dass du den Bock wieder geradebiegst.“

Harald drehte sich zu Klaas um. Der hatte sich ein Ochsenziemer gepackt und schlug damit auf seinen Namensvetter ein. Er ging langsam auf den Wagen zu. Im Wagen saßen und standen nur noch drei Jugendliche, die völlig entgeistert auf Klaas und sein Opfer starrten.

Er holte Luft: „Seid vernünft‘g dumm“

„Der Steuereintreiber hat das Gitter aufgemacht“ unterbrach Matjas die sicher wohl gesetzten und bedrohlichen Worte, mit denen Harald, also beinahe unverständlich verkürzt und halb verschluckt ausgesprochen, sie zum Reden bringen wollte.

„Aha?“

„Er hat das Gitter aufgemacht heute Nacht und vorhin ist er weg“

Harald starrte ihn immer noch aus dem Konzept gebracht an.

„Richtung Kaiserach ist er weg, mit dem Pferd“ beeilte sich Matjas zu stammeln.

Matjas stand an der Gittertür. Die beiden anderen Jungen hatten sich von ihm abgewandt ihre Abscheu spürbar. Harald öffnete lächelnd die Tür: „Nimm n Frühstück, erzähl.“

Er zeigte zur Feuerstelle. Matjas stieg ungeschickt vom Wagen runter. Keine zwei Meter neben ihm stand Klaas mit hochrotem Gesicht über dem etwas zierlicher gebauten drahtigen Anderklaas. Er schlug methodisch auf ihn ein. Ein Schlag zum Kopf, einer zum Bauch, sein Opfer drehte sich, auf den entblößten Rücken. Ein Stoß in die Seite brachte die Arme nach unten, um die Rippen zu schützen. Dann folgte wieder ein schneller Schlag zum Gesicht. Die Methode zeigte Erfolg, die weißblonden Haare auf der rechten Kopfseite hatten sich bereits blutrot gefärbt, von einer Platzwunde an der Schläfe und auf dem Rücken hatte Anderklaas lange geschwollene Striemen.

Harald wartete bis der Junge auf einer Höhe mit dem Prügelnden war.

„Klaas“ herrschte er, Matjas sprang aus dem Stand fast zwei Meter bis zum Feuer,

„hör auf, wir frag‘n‘ Jungen“

Matjas war sich so sicher gewesen, dass es eine Falle war. Aber im Lauf der Nacht war nichts mehr passiert, außer dass der Steuereintreiber irgendwann mit seinem Pferd vorsichtig Richtung Weg ToDo: wirklich so viele?] schlich und auch Peter, Kristof und Isa hatten sich ein Herz gefasst und den Wagen verlassen.

Zurückgeblieben war er mit den beiden blonden Ochsen Tjark und Torben und er war sich sicher, dass die beiden nur wegen Tjark dageblieben waren, der eine schlimme offene Blase am Fuß hatte. Beide waren groß und kräftig, wie ihre jeweiligen Väter, wenn auch nicht athletisch gebaut, sondern eben mehr mit der Masse eines Ochsens und zumindest Torben musste auch im Kopf den Vergleich mit einem Ackertier nicht scheuen.

Torben machte sowieso nichts alleine und er folgte Tjark schon seit Jahren überall treu hinterher. Der konnte kaum laufen, nachdem er sich gestern den Ballen wund gescheuert hatte, aber Matjas war sich sicher, dass er auch dageblieben wäre, einfach nur um ihn zu ärgern.

Er erzählte breitwillig am Feuer, was in der Nacht am Wagen vorgefallen war. Wie erst Klaas Marie geholt hatte. Um sie zu pflegen, wie der hastig einwarf. Und wie dann in den frühen Morgenstunden der Steuereintreiber das Gitter aufgemacht hatte. Wie er versucht hatte, die anderen vom Desertieren abzuhalten.

„Warum hast nicht g’rufen?“ fragte ihn Harald. Aber Tjark hätte ihn bedroht, der große da am Eck vom Wagen. Harald und Klaas nickten verständnisvoll. Wanja, der auch am Morgen Küchendienst hatte, verzog nur abschätzig die Lippen

 Hjallmann trat hinzu: „Wir kommen von Kaiserach, haben einen kleinen dicken Kerl auf dem Weg getroffen. Ich fand es noch komisch, dass der so früh unterwegs war“

„Was macht’n hier?“

„Wir haben einen Nachzügler aus Greifenstedt nach Kaiserach gebracht. Sein Vater hatte ihn im Keller versteckt, aber ein Nachbar war so aufrecht, das zu melden“

„Und warum macht ihr so was, Ihr seid doch keine Soldaten?“ Klaas baute sich vor dem kleineren Mann auf. Bjarn und Kraki seine beiden Gehilfen rückten etwas dichter. Der streckte sein Kinn vor: „Ich bin der Wildhüter des Grafen, das ist sein Wald, in dem du stehst“

„Fürs Reich jaja“ Harald schob sich dazwischen. „wie weit war’nder weg?“ Hjallmann funkelte Klaas weiter an, dann drehte es sich wieder Harald zu: „Eine Stunde etwa ist das her, der Junge sagt die Wahrheit“

„Für einen gerechten Lohn würden wir drei euch den kleinen Mann schon bringen“

Harald dachte kurz nach. „Musst nicht, reiten in die Richtung, geht nur nach ‘ach. Fragt Hauptmann, findet die andr’n“

„Das ist unser Sold“ maulte Klaas „wir finden die, das ist mein Recht“

„Ihr findet sie einfach vor den Wildhütern“ entschied Uskar. „Dann soll es auch wieder euer Sold sein.“ Er wandte sich zu Hjallmann: „Für eure Mühen zahl ich euch einen Pfennig, wenn ihr sie vor meinen hierher bringt, ist der Steuerpfennig von allen fünfen euer Lohn.“

„Der Pfennig geht aus deinem Sold, Harald“ der nickte nur.

Die Truppe hatte sich danach recht rasch aufgeteilt. Harald mit Klaas‘ Rotte die Flüchtigen einfangen. Viari sollte den Rest nach Kaiserach schaffen.

„Was machen wir wegen Johan“ fragt sie Uskar

Der grinst breit: „Um den kümmere ich mich. Mach mein Pferd fertig. Ich warte auf euch, sobald ich ihn habe“

***

Der Kohler – 16

This entry is part 16 of 25 in the series Der Kohler

Im Tiefwald kreuzen sich Wege

Die Wildhüter waren recht rasch mit Uskar handelseinig geworden. Der Hauptmann trat die vier Deserteure gegen die Hälfte der Prise an sie ab, wenn sie sie einfingen und nach Kaiserach brachten. Klaas und seine Rotte würden dafür schon gerade stehen, falls sie die Flüchtigen nicht selber vorher einfingen.

Die drei ritten den Waldweg entlang. Kraki hatte heute wieder üble Zahnschmerzen und bildete die Nachhut, vorne ritten Hjallmann und Bjari.

Der fragte: „Suchen wir sie den Weg entlang? Oder beim Köhler? Wenn wir uns beeilen kommen wir da vor den Soldaten an“

“Nein, wir suchen sie im Tiefwald“, entgegnete Hjallmann „hab oben an der Klippe Spuren gesehen, glaub die haben versucht runterzuklettern“.

Die drei bogen wenige hundert Schritt hinter der Pechsiedersiedlung auf einem kleinen Harzschneiderpfad in den Tiefwald ab. Ihre Pferde mussten sie recht bald stehen lassen und sie banden sie auf einer kleinen trockenen Lichtung an, kurz bevor der Weg in den Tiefwald hinabstieg. So früh im Jahr, waren die kleine Wege noch wenig ausgetreten, sondern schlammig und verwachsen und die drei nutzten die Gelegenheit noch einmal auf trockenem Boden zu frühstücken.

Zumindest Bjari und Hjallmann frühstückten, Kraki saugte Luft über die Zahnstümpfe auf der linken Mundseite, dann zog er eine Grimasse und starrte düster auf das harte Brot und den Käse der beiden.

„Sollst nicht wie ein Hund leben“ Bjari reichte ihm einen Flachmann

„Siehst aber zu, dass du noch reiten kannst“ ermahnte ihn Hjallmann.

„Ist klar, wir reiten doch heute eh nicht mehr, wir sitzen ja hier, weil dein feines Pferd keinen Matsch verträgt“ Kraki nahm einen tiefen Schluck vom scharfen Schnaps. Er behielt den Apfelbrand eine Weile im Mund und badete die zersplitterten Zähne.

„Nein wir sitzen hier, damit deine krummen Beine aufhören vor Angst über n Spaziergang zu zittern“ Hjallmann lachte

***

Etwa zur gleichen Zeit bog der Kohler und der Esel mit dem schwer mit Werkzeugen beladenen Wagen auf den Pfad in den Tiefwald ab, den sie bereits gestern genommen hatten. Sie folgten ihrer gemeinsamen Spur bis zum Schlag, an dem sie schon gestern gearbeitet hatten. Über eine Fläche von etwa 100 Schritt hatte der Förster des Grafen die größten Eichen fällen lassen. Der Kohler sollte sie jetzt entasten und das Bruchholz zusammen mit dem kleinen Esel abtransportieren. In einigen Wochen würden die Holzschläger wieder zurückkehren und die Stämme vor Ort so weit vorbereiten, dass ihre großen Kaltblüter, sie aus dem Tiefwald schaffen konnten. Eine mühsame Arbeit, die besser von der Hand gehen würde, wenn sie eine Schneise in den Wald schlagen könnten, aber der feuchte moorige Untergrund und die zerklüftet abbrechenden Felsen schützten den alten Tiefwald noch vor achtloser Gier nach Bau- und Brennholz.

Aber weder der eine noch der andere machten sich Gedanken, über eine Schlagroute oder die verständnissinnige und leichte Hand des Försters, den die Greifen von den Borgen geerbt hatten, der noch erfolgreich einen rücksichtlosen Kahlschlag ganzer Hänge vermied und gelegentlich betete, dass seine neuen Herren nie zur See reisen würden und wenn doch zumindest so sehr an Übelkeit litten, dass sich in ihnen niemals die Ambition zur Schifffahrt weckte.

Der eine machte sich Gedanken über die Satteltasche, über ihr Gewicht und die kleine wunde Stelle, die sie an seiner Schulter schabte. Wie viel leichter wäre die Schultertasche doch, wenn sie etwa keine Äpfel oder Rüben mehr enthielt.

Der andere vermied es noch zu denken oder immerhin seine Gedanken zu Worten werden zu lassen, Worte die sich viel unangenehmer in seinem Kopf drehten, als die einfachen Bilder. Vor die ließ sich leicht ein Stück Weg – vielleicht ein schlammiger Abstieg –  schieben oder der nächste Handgriff, das auf und ab einer Säge, machte sich hervorragend.

Die Säge nagte sich durch einige große Äste und ihr Rhythmus überlagerte die Geräusche des Waldes und die Erlebnisse der letzten Tage, so dass als nächstes nur der nächste Handgriff anstand und nicht etwa Widerstand – nicht noch einmal.

***

„Das ist doch nie und nimmer der richtige Weg. Meine Stiefel sind durchgeweicht und ich sehe weder Klippe noch Jungen“ fluchte Bjarn

Hjallmann blickte sich finster um: „Ich sage, wir gehen nach Norden und das ist Norden, so kommen wir auf jeden Fall an die Klippe“

„Woher weisst du, wo Norden ist? Ich sehe hier kaum die Sonne und wir haben uns auf den letzten 100 Schritt mindestens dreimal im Kreis gedreht.“

„Der Boden fällt zur Klippe ab, solange der Boden immer feuchter wird, sind wir richtig“ entgegnete Hjallmann.

„Na großartig, je nasser unsere Füße desto besser. Inzwischen haben die Soldaten wahrscheinlich schon alles eingefangen und sitzen mit Tee und den zwei Mädels auf dem Schoß am Feuer“

„Halt die Klappe! Norden ist, wo ich es sage und wir gehen lang, wo ich es sage“ Hjallmann baute sich vor dem größeren Bjarne auf. Obwohl Bjarne einen guten halben Kopf größer war als Hjallman und auch deutlich breitere Schultern hatte, senkte er den Kopf und nickte.

„Klar Herr“ beschwichtigte er den anderen, „aber wir könnten doch vielleicht die Holzfäller fragen, ob es eine Abkürzung gibt“

„Was für Holzfäller?“ fragte Hjallmann

„Ich höre schon eine Weile eine Säge, du hast doch vom Holzschlag hier unten erzählt“

Hjallmann lauschte, dann lächelte er: „Hast Recht mit der Säge, aber Holzfäller sind das nicht. Das ist der zurückgebliebene Köhler, den ich hierher geschickt hab.“

Kraki lief einige Schritte hinter den Beiden, er hatte die kürzesten Beine und er taumelte leicht, aber ihm machte weder Weg noch Matsch so viel aus, wie den beiden anderen. In seinem Bauch schwappte das meiste von Bjarn’s Schnaps. Obwohl er immer wieder sauer davon aufstieß, hatte sich der Apfelbrand freundlich um seine schmerzenden Zähne gelegt, wärmte seine durchnässten Schuhe und färbte sogar die Frühlingssonne noch ein wenig goldener, wo sie durch die Bäume lugte. Daher merkte Kraki auch gar nicht, wie die beiden anderen nach rechts abbogen, sondern folgte weiter dem kleinen Wildpfad nach Norden, blieb also auf dem kürzesten Weg zur Klippe.

Vom Sägen geführt kamen die beiden rasch zu dem gefällten Baum, an dem der Kohler gerade arbeitete. Der war tief in seine Arbeit versunken, aber der Esel sah die beiden Männer aus dem Wald kommen. Den größeren von beiden kannte er kaum. Wenn der den Kohler zusammen mit dem anderen besuchte, blieb er meist ein wenig im Hintergrund, war ruhig und kratzte sich am kahlen Schädel. Er machte auch immer einen gewissen Bogen, um den Kohler. Ganz anders der kleinere von beiden. Der sprang seinem Hüter immer in’s Gesicht und immer, wenn der mit ihm geredet hatte, war er aufgebracht und kam seinen Pflichten nicht mehr nach.

Also rief er laut, bis der Kohler das Sägen aufhörte. Er schaute sich um, der lange einhändige Fuchsschwanz in seiner Hand glitzerte in der Sonne, die großen Zähne dunkel von Harz und Späne verschmiert. Hjallmann war bis dicht an den Hünen herangeschlichen, vielleicht hatte er ihn erschrecken oder treten wollen, jetzt machte er einen unwillkürlichen Schritt zurück.

Er sammelte sich: „Du kommst mit und hilfst uns“ schnauzte er.

Der Kohler sah ihn kurz nur an, machte dann einen großen Bogen mit der Säge, die die Lichtung und die gefällten Bäume einschloss.

„Die liegen nachher noch da. Du kommst mit zur Klippe“ Hjallmann drehte sich um „bring den Esel mit“ Er trat nach dem Esel: „Mit dir rede ich“ kicherte er.

Der Kohler trat mit dem Fuchsschwanz in der Hand zum Esel.

„Die Säge brauchst nicht, wir fangen Deserteure, keine Bäume.“ warf Bjarne von hinten ein.

Er hielt kurz inne, dann löste er die Gurte der Satteltaschen, was beim Esel ein wohliges Zittern auslöste. So blieb er einen Moment lang stehen, stirnrunzelnd über die Satteltaschen am Boden gebeugt.

„Heut noch“ herrschte Hjallmann „und führe einen schön trockenen Weg zur Klippe“

Er nickte und nahm nur das große Waldmesser auf, dann zog er den kleinen Esel sachte am Geschirr hinter sich her, bis der sich in Bewegung setzte und machte sich in Richtung der Klippe auf den Weg.

Bjarne und Hjallmann warteten einen Moment auf der Lichtung. Der riesenhafte Holzfäller bewegte sich überraschend leichtfüßig durch den Wald. Er folgte einem kaum sichtbaren Wildpfad, bückte und beugte sich, um den Frühlingsästen auszuweichen. Nur wenn es gar nicht anders ging, durchtrennte er mit einem Schwung der nach innen gebogenen Seite des fußlangen Messers das Unterholz.

„Na los, hinterher“ Hjallmann stieß Bjarne an.

„Was für ein Riese“ murmelte der „Sag mal, kommt er dir nicht auch bekannt vor?“

„Bekannt? Woher denn?“

„Vom Feldzug vor zwei Jahren. Ich könnt schwören, ich hab‘ ihn bei der letzten Schlacht gesehen“

„Ach was der zurückgebliebene Klotz ist der Sohn vom alten Köhler, keiner von den 23. Auf jetzt“

Bjarne folgte fluchend auf dem zugewucherten Pfad. „Wo ist eigentlich Kraki abgeblieben?“

***

Der Kohler – 17

This entry is part 17 of 25 in the series Der Kohler

Gefunden

Der Boden wurde Schritt für Schritt matschiger, Krakis Hosenbeine hatten sich bis zu den Knien mit Wasser vollgesogen. Er war dem kleinen Pfad gefolgt, hatte aber schon einige Minuten nichts mehr von seinen beiden Gefährten gehört oder gesehen.

Er blieb stehen, stützte sich mit der Hand an einem knorrigen kleinen Baum ab und holte tief Luft. Mit der Zunge prüfte er die zackigen Stümpfe der Schneidezähne und Eckzähne auf seiner linken Gesichtsseite. Alle da, alle weg und langsam kamen die Zahnschmerzen zurück. Er tastete nach dem Flachmann, aber erinnerte sich daran, dass Bjarne den vor einiger Zeit zurück hatte haben wollen. Prüfend schaute er auf den Weg vor sich. Könnten Spuren sein oder auch nicht murmelte er, aber wahrscheinlich nicht, gestand er sich ein.

Zurück laufen durch den Matsch, laut rufen und den Spot einsacken? Beides waren keine ansprechenden Ideen. Er kniff das linke Auge zusammen und saugte quietschend Luft über die ruinöse Zahnlandschaft, der gewohnte Schmerz durchzuckte ihn.

„Arschlochritter mit dem Arschloch Handschuh“ grummelte er und kämpfte sich durch die Äste, die vor ihm den Weg versperrten. Sein linkes Bein versank bis zur Wade in einem Schlammloch und er klammerte sich hastig an einen der Äste, die er gerade noch unwirsch beiseite geschoben hatte.

Vor ihm erstreckte sich eine sumpfige Lichtung bis zum Fuß der Klippe. In einem unregelmäßigen Kreis um einen weitläufigen morastigen Tümpel standen kurze breitstämmige Bäume mit ausladenden Kronen. An die Felswand gegenüber klammerte sich ein größerer Baum, dessen Wurzeln flach in den Morast hineinwuchsen. Die Sonne verschwand gerade über der Klippe, so dass die dürren weitläufigen Äste auf das sumpfige Wasser einen unregelmäßigen Schatten warfen, aber ihn noch blendete.

Er schirmte seine Augen und schaute nach unten. Am Rand des Tümpels glitzerte Froschleich seltsam rosafarben, dann sah er das Mädchen, dass wenige Fingerbreit unter der Wasseroberfläche zu treiben schien. Er quietschte wieder durch die Zähne und hielt Ausschau nach einem kräftigen Stock, während er vorsichtig um den Tümpel herumging.

Janis war, nachdem der Baum seinen Sturz gebrochen hatte, ohnmächtig den Stamm hinunter gerutscht. Er war im Lauf des Tages immer wieder zwischen Schmerz und Ohnmacht wach geworden, erst am späten Mittag schaffte er es auf die Beine und kroch mühsam und stöhnend hinter dem Baum hervor.

Kraki konnte sein Glück kaum fassen, verloren und verlaufen und zwei von den Täubchen waren ihm direkt in die Arme gefallen. So wie die beiden aussahen wortwörtlich. Schade, dass die eine tot war, aber das konnte man nicht ändern und der Junge sah auch mehr tot als lebendig aus. Hauptsache er überstand es bis zur Übergabe.

Er packte den Jungen und zog ihn hoch. Janis war kaum Herr seiner Sinne, aber er begriff, dass er wieder gefangen war und versuchte sich von dem Mann, der ihn unsanft festhielt los zu machen. Der andere packte ihn fester. Wie eine Schraubzwinge grub sich die Hand des Mannes in Janis ausgekugelte Schulter, der Schmerz riss ihm einen lauten Schrei von den Lippen. Erschrocken lockerte Kraki seinen Griff und Janis riss sich los und taumelte blind weg.

Der Kohler hatte einen kleinen Umweg genommen, er folgte einer alten Muräne, die etwas höher lag als der Sumpf, dadurch gelangten sie alle sehr viel trockener bis zum Fuß der Klippe, der er anschließend folgte. Sie beiden Männer folgten ihm in etwas Abstand, der Esel hatte zu ihm aufgeschlossen. Er hörte einen schrillen Schrei von vorne, blieb kurz stehen, dann beschleunigte er seinen Schritt. Er drückte sich durch das Unterholz in die Lichtung bei der Sumpfeibe. Kaum aufrecht taumelte ihm Janis entgegen, stolperte gegen den links von ihm laufenden Esel und blieb schwer atmend liegen.

Wäre Janis heute Nacht, als er an der Sumpfeibe herunterrutschte nach vorne gefallen, wäre er sicher neben Marie ertrunken. So hatte er nur gebrochene Rippen, eine ausgekugelte Schulter, ein zerschlagenes Gesicht, völlig zerrissene blutverschmierte Kleider und nicht zuletzt gequetschte Hoden. Er lag fast nackt, blutend und zitternd zu Füßen des kleinen grauen Esels, der überraschend ruhig blieb. Mit verzerrtem Gesicht und blutigen Händen folgte ihm ein Mann der bedrohlich einen langen Stock trug.

Kraki wurde langsamer, als die mächtige Gestalt mit dem kleinen Esel aus dem Wald trat und der Junge neben den beiden zu Boden fiel. Er blieb abrupt stehen, als der Hüne einen Schritt nach vorne machte und ein fußlanges krummes Messer hob.

Der Kohler hatte sich schützend vor einem rothaarigen Jungen aufgebaut. Sein Waldmesser sah nicht im Geringsten mehr aus wie ein Werkzeug, sowohl die nach unten gebogene Klinge als auch die zu einem kleinen Beil geformte Rückschärfe versprachen hässliche Verletzungen. Bjarne kam dazu, als Kraki vorsichtshalber noch einen Schritt zurück machte. Er zog sein kurzes Schwert und machte ein paar Schritte über den morastigen Boden der Lichtung, der Sumpf zog an seinen Stiefeln und ließ jeden Fuß nur mit einem saugenden Geräusch los.

„Leg das hin“ sagte er, der Kohler schüttelte den Kopf.

„Geh weg von dem Jungen“ ein zweites Kopfschütteln.

 „Hau ab“ Kraki hatte seinen Streitkolben vom Gürtel gelöst und nestelte mit der linken Hand an seinem Dolch. Sie standen jetzt beide mit dem Rücken zum Tümpel, etwa drei Schritt auseinander.

Der Kohler machte den Mund auf, flüsterte etwas, räusperte sich, dann schüttelte er wieder den Kopf.

Bjarne duckte sich etwas nach vorne, er verlagerte sein Gewicht und fühlte wie sein rechter Fuß tiefer in den Morast sank, furchtbare Bedingungen für einen Kampf. Kraki hatte es besser, je dichter er zu den Felsen der Klippe kam, desto trockener aber auch steiniger war der Boden, er ging noch ein wenig dichter Richtung Felswand und machte einen vorsichtigen Schritt nach vorne, den Streitkolben hielt er hoch, die andere Hand hatte er hinter seinem Körper.

Schaut man von oben auf dieses Tableau ist die wichtigste Frage, ob der Kohler den dritten Gegner vergessen hat. Die zwei gemeinen Bösewichte auf der Lichtung scheinen zu wissen, was sie tun. Sie binden die Aufmerksamkeit ihres Gegners, während sich in dessen Rücken Hjallmann anschleicht. Der hat ein gemeines kleines Lächeln auf den Lippen. Seine Abneigung gegen den großen Einsiedler im Wald hat gar keinen besonderen Grund. Nur dass er größer ist als Hjallmann, den sie gern auch mal den Halbmann nennen und dass er anders ist und dass man ihn so leicht und gut verachten kann. Er hat sich daran gewöhnt den großen Mann herumzuschubsen, aber hat sich immer in einem kleine Teil seines Kopfes gefragt, ob sich der Große vielleicht nur herumschubsen lässt, weil er es will. Ihn nun mit erhobener Waffe zu sehen, mit dem Rücken zu ihm, ihm ausgeliefert, das bestätigt dem Halbmann, dass er doch ein ganzer Kerl ist. Er wartet geduldig auf den Augenblick, in dem er ihm gefahrlos in den Rücken fallen kann.

Für einen Augenblick halten alle die Luft an, dann geht alles ganz schnell. Hjallmann ist in Stoßweite bis hinter den Esel gekrochen. Kraki hebt die Keule hoch über den Kopf und schreit, macht einen knappen Schritt nach vorn und schwingt die Keule, Bjarne will sich abstoßen, aber versinkt mit dem rechten Fuß noch etwas tiefer im Schlamm.

Das Waldmesser macht einen langen Bogen von unten nach oben und durchbricht die Bahn der Keule knapp hinter dem Handwurzelknochen. Nun ist es gar nicht leicht einen Arm zu durchtrennen, aber da Kraki mithilft, hat der Kohler nur die halbe Arbeit, Hand und Keule stecken vor Bjarne im Morast. Der versucht sich krampfhaft zurück zu lehnen, sein Fuß steckt im Morast fest und der Stich seines Schwertes geht eine Handbreit am Bauch des Kohlers vorbei, der plötzlich viel dichter an Kraki steht, als noch einen Augenblick davor.

Der festgesetzte Fuß rettet Bjarne aber auch das Leben, denn er ist einige entscheidende Zentimeter, eine Halsbreite um genau zu sein, weiter weg vom Kohler, so dass die Klinge nur sein Schlüsselbein bricht und das Schwert aus der kraftlosen Hand fällt. Der Waldmann wendet sich wieder Kraki zu, der mit dem Dolch nach ihm stochert. Die Hackseite des Waldmessers trennt Daumen und Zeigefinger der linken Hand ab und Kraki stolpert weiter zurück, bis er rückwärts ins Wasser fällt.

Hinter dem Kohler erhebt sich Hjallmann, er holt mit seinem langen Messer weit aus und drückt den kleinen grauen Esel mit der linken Hand beiseite, um dem Kohler die Klinge in den Rücken zu stoßen. Der Esel zuckt einmal mit rechten Ohr und tritt heftig aus. Unter dem Huf bricht knirschend der Hüftknochen. Er schlägt blindlings nach dem Esel, während sein Bein nachgibt und er zu Boden geht. Das Messen schabt schmerzhaft über die Rippen des Esels, der laut aufschreit und mehrmals nachkeilt, bis sich der Angreifer nicht mehr rührt.

Beinahe als Nachsatz trifft Bjarne ein wuchtiger Tritt in den Brustkorb und raubt ihm den Atem, wirbelt ihn halb herum und wirft ihn zu Boden. Sein rechtes Bein bleibt im Sumpf stecken und die Patella im Knie reißt ab, den Schmerz wird er aber erst spüren, wenn er wieder atmen kann.

***

Der Kohler – 18

This entry is part 18 of 25 in the series Der Kohler

Lose Enden

Johan ritt wie der Teufel, zitternd vor Mut und in Angstschweiß getränkt hatte er im Dunkeln seine alte Stute gesattelt. Seine Hektik und der Geruch der Angst hatten sich auf die ältliche Pferdedame übertragen. So flohen sie gemeinsam schweißgebadet und mit schmerzenden Knochen und aufgerissenen geweiteten Augen den Waldweg entlang.

Etwa zwei Wegstunden hinter ihnen folgte den beiden Uskar, methodisch und sorgsam darauf bedacht seinen Wallach nicht zu überfordern, stieg er regelmäßig ab und lief neben dem Pferd her.

Beide legten den Weg nach Kaiserach in der gleichen Zeit zurück, Johan hatte also zwei Stunden gehabt, seine Stute in einem Stall abzustellen und zu verschwinden.

Nach einem Nachmittag und langen Abend ergebnislosen Suchens in den wenigen Tavernen der kleinen Grenzstadt, einem unerfreulichen Besuch bei Johans ehemaliger Verlobter und einem noch unerfreulicheren Besuch beim Kommandanten des Grenzpostens, musste Uskar sich eingestehen, dass Johan tatsächlich und erfolgreich verschwunden war.

***

Nach einem hektischen und lauten Vormittag war Ruhe auf dem Plateau eingekehrt. Uskar war als erster in Richtung Kaiserach geritten. Klaas und seine Rotte streiften den Waldweg zurück in Richtung Talgede und die drei Wildhüter waren in die gleiche Richtung aufgebrochen.

Viari hatte Zugtiere und Rekruten auf die drei Wägen verteilen lassen. Nach einem kurzen heftigen Streit mit Klaas früher am Vormittag, hatte sie auch Anderklaas aufgeladen. Mit einem kurzen Salut verabschiedete sie sich von Harald, der als einziger am Feuer in der Pechsiedlersitzung sitzen geblieben war. Die Wagen setzten sich von Rekruten und Ochsen gemeinsam gezogen langsam und knirschend in Bewegung.

Sorgsam schichtete Harald einige Scheite auf und setzte einen kleinen getriebenen Kupferkessel dazwischen. Die Kohlen erhitzten das Wasser rasch und die getrockneten Kräuter verbreitete einen intensiven Geruch nach Minze am Feuer. Mit seinem dampfenden Krug in der Hand ging Harald vom Feuer zum Rand der Klippe am Ende der Lichtung.

Er blieb einen Moment lang stehen und nahm die Szenerie in sich auf. Fast zentral auf der Klippe die Pechhütte, die Tür nach rechts vorne und den Rauchabzug bis an den Abhang gebaut. Der von ihm aus linke Teil der Klippe war mit einigen Sträuchern und vertrockneten Disteln bewachsen und stieg unregelmäßig an, bevor sie in einen steilen von einigen widerspenstigen Bäumen bewachsenen Abhang überging. Rechts von der Tür fiel die Lichtung sacht aber fast eben ab, bis sie abrupt abbrach.

Alle Spuren der letzten Nacht spielten sich auf dieser Seite ab, die Details waren zwar von der Suche am Morgen zertreten, aber es war recht deutlich zu erkennen, dass sich niemand ab den Versuch gewagt hatte, den Abhang hinab zu kommen.

Vielmehr sprach anscheinend alles dafür, dass der Junge, Janis hieß er wohl, mit dem Mädchen auf dem Rücken die schiere Wand der Klippe hinabgeklettert war. Das hatte auch Demmi der Kundschafter in Klaas Rotte bestätigt, nachdem er sich mit Klaas beraten hatte.

Hier am Rand der Lichtung ging ein beständiger sachter Wind, der die Klippe hinabfiel. Mit dem sachten Zug an seinen Kleidern beugte sich Harald vorsichtig über die Klippe und trat gleich wieder rasch einen Schritt zurück. Er stellte seinen Tee hinter sich und ließ sich auf die Knie nieder, so beugte er sich ein zweites Mal über die Klippe. Es ging mindestens 20 Ellen schier und glatt den Felsen hinunter. Dann zerklüftete der Felsen und in den Rissen hatten sich auch wieder einige unverwüstliche kleine Bäume gekrallt. Unten konnte er eine baumurahmte Wasserfläche ausmachen und einen einzelnen weitkronigen Baum, der sich wohl fest an den Felsen schmiegen musste. Er schüttelte den Kopf und kämpfte den Impuls nieder, sich noch weiter nach vorne zu beugen, bis zum Wasser.

Auf Knien rutschte er ein Stück nach hinten, sein linker Fuß stieß gegen seinen Krug und fluchend fuhr er herum, zu spät um seinen Tee zu retten. Leise fluchend kehrte er zurück zum Feuer, um noch etwas lauter zu werden, als er feststellte, dass das Wasser restlos verkocht war. Harald setzte sich ohne Tee an das langsam runterbrennende Feuer und begann auf Klaas zu warten.

***

Der Kohler – 19

This entry is part 19 of 25 in the series Der Kohler

Erwachen

Der Hüne drehte sich langsam einmal im Kreis. Hjallmann, den er nur als den kleine giftigen Wildhüter kannte, lag zusammengekrümmt aber regungslos einige Schritte entfernt. Der kleine graue Esel stand mit zitternden Flanken und blutbeschmierten Hufen daneben. Das Wasser des Tümpels vor ihm lag schon wieder fast ruhig nur noch ein paar konzentrische Wellen und einige Luftblasen deuteten darauf, hin dass hier eben jemand versunken war. Der große kahlrasierte Angreifer, der im Sumpf stecken geblieben rang schmerzhaft und fast vergeblich nach Luft, er lag in einem scheußlichen Winkel zu seinem Knie und der dunkle Schlamm nahe seinem Hals färbte sich zunehmend dunkelrot. Er schloss kurz die Augen und holte tief Luft, dann spuckte er den metallischen Geschmack aus. Er wischte sein Waldmesser an einigen Grasbüscheln sauber und lehnte es an die Felswand, bevor er zu dem kleinen grauen Esel ging und ihn sachte am Halfter ein paar Schritte wegführte. Der Esel beruhigte sich nach ein paar Augenblicken, in denen er ihn streichelte und seinen Kopf an ihn lehnte.

Danach kümmerte er sich um den Jungen, der das ganze ausgelöst hatte. Der hatte sich mühsam an der Felswand halb aufgerichtet, lag nun aber so weitgehend regungslos mit halbgeschlossenen Augen an eine Wurzel gelehnt. Er schluckte mechanisch einige Schlucke, die ihm der Kohler vorsichtig einflößte, aber wurde dadurch nicht wacher. Er machte es ihm etwas bequemer, indem er ihm sein Hemd zusammengerollt unter den Kopf schob, kramte erfolglos nach der Satteltasche und zuckte dann aber die Achseln, als ihm einfiel, dass er die bei den gefällten Bäumen gelassen hatte.

Schließlich ging er zu dem kahlrasierten Angreifer, der im Morast feststeckte. Der atmete inzwischen etwas einfacher, konzentrierte sich nun aber auf sein verdrehtes Bein. Mit Tränen in den Augen versuchte der es so vorsichtig wie möglich aus dem Morast zu ziehen, aber bei jedem Zug am Knie verließ ihn die Kraft. Mit einem kurzen festen Ruck zog er ihm das Bein aus dem Sumpf und legte es sachte leicht angewinkelt aber gerade ab.

Bjarn hätte bei dem Ruck an seinem lädierten Knie fast das Bewusstsein verloren, aber in der neuen Position ebbte der Schmerz langsam von unerträglichen Wellen in schwer auszuhaltendes Pochen ab. Er blinzelte die Träne weg und konzentrierte sich auf den großen Mann, der ein paar Schritt von ihm weg in der Hocke saß, vor sich Bjarns Waffen auf dem Boden ausgebreitet.

„Du bist einer von ihnen“ stammelte er.

„Pssshh“ flüsterte der Kohler.

„Ich hab dich gesehen“ bekräftigte Bjarn „bei der letzten Schlacht“

„Nein“ der andere machte eine abwehrende Handbewegung.

„Du bist es, du bist der“ sagte Bjarn nun zunehmend sicherer werdend.

„Nein, Nein …“ Der große Mann beugte sich über ihn.

„Du bist“ brachte Bjarn heraus, bevor sich die mächtige Hand über Mund und Nase legte.

„Nein“ sagte er abschließend und drückt zu.

Der bittere Geschmack von Kiefernharz und Eichenblättern begleitete Bjarn während sich das Dunkel um ihn schloss und seine Lungen vergeblich nach Sauerstoff schrien.

Der riesenhafte Waldmann lehnte auf dem Gesicht des zappelnden Mannes, bis der aufhörte sich zu bewegen und dann noch ein paar Augenblicke länger.

„Nein“ wiederholte er ein letztes Mal.

***

Der Kohler – 20

This entry is part 20 of 25 in the series Der Kohler

Jagdhunde

Klaas Protest gegen den Einsatz der Wildhüter war auch bei Harald auf taube Ohren und zunehmend gereizte Erwiderungen gestoßen. (ToDo: bleibt das drin?) Anderklaas war noch nicht wieder auf den Beinen, Viaris Koch und Teilzeitfeldscher Wanja kümmerte sich um ihn, während sich Viari und Lethe darum kümmerten, dass Klaas nicht mehr zu ihm gelangte.

Schließlich gab er auf und pfiff seine Rotte zusammen. Er musterte seine verbliebenen fünf Männer, die etwas nervös im Halbkreis vor ihm standen. Links außen stand Ennu und blinzelte aus geröteten Augen. Als einziger trug er noch den traditionellen Kriegerzopf, obwohl Schläfen und Stirn dringend eine frische Rasur verlangten. Ziemlich groß und ziemlich dünn verlieh ihm die Frisur und der graue Armeeumhang etwas von einem Fischreiher. Bent neben ihm war fast genau so groß, aber deutlich breiter gebaut und stolz darauf. Trotz der morgendlichen Kälte hatte er keine Ärmel an seine Brigantine genestelt. Seine schmutzigblonden Haare waren wie immer unter einem schmutzigen Kopftuch verborgen.

Jori und Hark waren beide deutlich kleiner, aber mindestens so stämmig wie Bent. Die beiden kamen aus der schweren Infanterie, ihre Kompanie so stark dezimiert, dass sie bei der Umstrukturierung nach dem Bürgerkrieg irgendwie bei Uskar und somit bei Klaas gelandet waren. Ihre narbigen Gesichter und Unterarme sprachen Bände über ihre Erlebnisse in den letzten Feldzügen. Joris Nase war so häufig gebrochen, dass der Nasenschutz seines Helmes sie nicht mehr abdeckte und ihm fehlten die meisten Schneidezähne. Hark sah im Vergleich unverschämt gut, seine Narben zogen sich in ansprechenden silbrigen Linien durch seine Haut und sie unterstrichen seine hohen Wangenknochen und sein markantes Kinn.

Keiner würde bei einer Parade in der ersten Reihe aufgestellt werden und sie waren alle alt genug, um auch in der Schlacht in der zweiten zu bleiben. Aber immerhin waren alles Männer und sie machten was Klaas ihnen sagte. Auch wenn sie wie Demmi kaum zwei Minuten aufrecht stehen konnten. Der Pferdespezialist und Kundschafter war fließend von Habacht zu Schneidersitz gewechselt und blinzelte nun zu ihm hoch.

„Ist eine schöne Scheiße, wenn wir in die Stadt kommen und keinen Pfennig zum Versaufen haben“ maulte er.

 „Auf die Beine, Klötenlecker!“ herrschte Klaas ihn an: „Wir gehen jetzt alle in den Wald und sehen zu, dass wir die beiden wieder einfangen“

„Vier“ korrigierte ihn Bent. „Es sind vier von den Kindern im Wald verschwunden“

„Richtig du Schlaumeier“ Klaas sammelte sich kurz „Aber zwei sind den Waldweg lang oder hier oben im Wald verschwunden und zwei sind die Klippe runtergekraxelt. Du und Ennu seit am schnellsten auf den Beinen, lauft doch mal den Weg entlang zurück“

Bent wirkte einen Moment als wolle er widersprechen, dann nickte er.

„Worauf wartet ihr dann noch“ fauchte Klaas. „Und kommt bloss nicht mit leeren Händen zurück“

Nachdem Ennu und Bent sich auf den Weg gemacht hatten, wandte sich Klaas den anderen zu.

„Wir vier streifen oberhalb des Weges durch den Wald.“ Sagte er „Falls die beiden Turteltauben nicht zurück in Richtung ihres Dorfes geflohen sind, werden wir sicher Spuren von ihnen finden“

„Aber was ist mit den beiden, die die Klippe runter sind“, fragte Demmi, „überlassen wir die einfach den Wildhütern?“.

Jori murmelte zustimmend und fragend zugleich.

Klaas trat einen Schritt nach vorn und senkte etwas die Stimme: „Wir werden schon sehen, falls die drei mit Beute zurück kommen. Sollen sie doch uns die Arbeit abnehmen und die Blagen aus dem Wald hochschleppen. Ich lass mir aber meinen Sold nicht so einfach abnehmen“ Er streichelte sachte über seinen Messergriff.

Hark und Jori schauten sich kurz an, dann nickten die beiden. Demmi brauchte einen Moment länger, dann begann er zu grinsen.

Aufräumen

Der kleine graue Esel stapfte mühsam durch den schlammigen Wald. Das Geschirr der Schleppe schabte immer wieder unangenehm an dem tiefen Kratzer der sich quer über seine Rippen zog, dann zitterte seine Flanke. Neben ihm stapfte sein Herr, zog seinen Teil der Last. Sie schleiften gemeinsam den rothaarigen Jungen hinter sich über den feuchten Waldboden.

Der Große hatte sich sorgfältig um die Verletzung des Esels gekümmert, anschließend hatte er den Jungen notdürftig versorgt, der immer wieder Ohnmächtig wurde. Dann hatte er dem Esel und dem Jungen etwas Wasser gegeben und war anschließend mit dem Jungen auf den Armen bis zur Arbeitsstätte an den gefällten Bäumen gegangen. Er hatte einige der Äste so zusammengebunden, dass er den Jungen notdürftig darauf betten konnte, hatte dem Esel das Geschirr vorsichtig angelegt und beruhigende Geräusche gemacht, wenn er dabei an die Verletzung des Esels stieß.

„Na los Kleiner“ sagte er und der Esel zuckte überrascht mit den Ohren, dann setzte er sich in Bewegung.

Sie folgten dem schmalen steilen Anstieg, vorsichtig darauf bedacht, dass ihre Last nicht vom Weg abkam. Also der eine bedacht, der andere war nur etwas unglücklich.

***

Demmi war unglücklich im Wald. Krummbeinige Wilde und im Sattel geboren, wurde ihm und seinem Volk im Reich nachgesagt. Er hatte sich die Beleidigungen und Vorurteile stolz zu eigen gemacht, obwohl er selber nur am Rand der weiten flachen Steppen im Norden aufgewachsen war. Seine Familie zur Sesshaftigkeit gezwungen von einem Imperium, das keinen Platz für Nomaden hatte, egal wie groß es wurde. Die Armee hatte ihm einen Ausweg aus den Bretterbuden geboten, wenn auch nicht aus dem Alkoholismus, den er von seinen Eltern schon früh abgeguckt hatte.

Sein Talent als Reiter hielt ihn in den Reihen, der Alkohol nahm ihm jede Hoffnung auf Beförderung. Er fühlte sich tatsächlich zu Hause in Klaas‘ Rotte, wenn auch nicht wohl, sind schroffer Chauvinismus und ansatzlose Brutalität doch bewährte Mechanismen zum Umgang mit niederdrückenden Bedingungen. Das änderte nichts daran, dass sich Demmi unwohl fühlte im Wald. Eigentlich überall, wo er nicht den Horizont sehen konnte und auf jedem Ast Spinnen und Kriechtiere lauerten, die ihm in den Kragen kriechen wollten.

Es kam hinzu, dass Demmi im Wald völlig nutzlos war als Kundschafter. Er war der erste der zugab, dass er kaum Laub- von Nadelbaum unterscheiden konnte, geschweige denn die Feinheiten einer Fußspur von einer Wildfährte. Trotzdem hatte Klaas ihn am weitesten in Wald gejagt, so bekam er auch als letztes mit, dass die anderen wohl etwas auf dem Weg entdeckt hatten. In einem Bogen, um eine Reihe stacheliger Büsche zu umgehen, ging er vorsichtig herabhängende Äste vermeidend zurück zur Waldstraße.

Klaas hatte sofort mit der Suche beginnen wollen, aber Harald hatte darauf bestanden, dass sie ihren Teil zum Auflösen des Lagers beitrugen. Es war also schon später Vormittag gewesen, bis er mit dem Rest seiner Rotte aufbrechen und sich auf die Jagd machen konnte. Er hatte die verbleibenden drei mit dem Auftrag in den Wald geschickt in Sichtweite voneinander zu bleiben und Spuren oder besser noch die versteckten Jugendlichen zu finden. Er selber war auf dem Weg geblieben und versuchte wahlweise links oder rechts Abzweigungen zu entdecken. Er hatte die Spuren der drei Wildhüter abzweigen gesehen und war dem Harzschneiderpfad ein paar Meter gefolgt, hatte aber nur die Reste des Frühstücks und die Pferde vorgefunden. Zurück auf dem Weg war er wieder aufgeschlossen und sie waren methodisch und erfolglos der Waldstraße gefolgt, bis die Sonne deutlich über den Zenit stand.

Im Gegensatz zu seinen Kameraden im Wald war Klaas ausgeruht, fast gelangweilt, weil er nur sehr langsam auf dem breiten Weg vorankam, um die anderen im Wald nicht zu verlieren. Er hörte ein schleifendes Geräusch und das Knacken von Ästen von seiner linken Seite. Er pfiff leise und hob seine Faust. Aus dem Wald zu seiner Rechten hörte er Hark oder Jori’s leise Pfiffe als Antwort. Er machte einige Schritte zur Seite, blieb halb hinter einem Stamm und versuchte einen Eindruck zu bekommen, woher das Geräusch kam und was es verursachte. Jori war weniger vorsichtig und brach lautstark einige Meter vor ihm aus dem Unterholz, dich gefolgt von Hark, der ihm immerhin bedeutet leiser zu sein.

Sie alle sahen die riesenhafte Gestalt eines Waldarbeiters, die mit dem Rücken zu ihnen angestrengt etwas aus dem Wald zerrte. Mit straff gespannten Muskeln und keuchend zog er rückwärts erst den Esel und zum Schluss die Schleppe mit Janis vom schmalen steilen Wildpfad, dem sie aus dem Tiefwald gefolgt waren, auf den breiten Waldweg.

Dann stand er schwer atmend und mit dem Rücken zu ihnen auf dem Weg und bekam dadurch erst recht spät mit, dass er nicht allein war. Er drehte sich um und musterte die drei Soldaten misstrauisch.

Hark grinste breit, als er gefolgt von Jori auf den großen Mann zuging: „Guter Mann, da hat er uns aber einen Haufen Arbeit erspart!“

„Was wollt ihr?“ Erwiderte der andere etwas stockend

„Unseren Deserteur wieder einsammeln, für die Arbeit, die du mit ihm hattest wollen wir dir auch gern ein paar Münzen geben“ Hark kramte in einer Tasche.

Der Mann runzelte die Stirn: „Der Junge hat schon genug durchgemacht“ er schüttelte ablehnend den Kopf. Als Hark ihm ein paar Kupfermünzen hinstreckte.

Jori verlor die Geduld: „So oder so, wir nehmen ihn mit“ rief er und machte Anstalten den anderen Beiseite zu stoßen. Dann lag er stöhnend auf dem Boden und hielt sich das Gesicht. Während Hark einen Schritt zurücksprang und nach seinem Dolch am Gürtel griff.

Klaas nestelte seinen Ochsenziemer los und ging vorsichtig auf den Kerl zu, der gerade mit einem ansatzlosen Faustschlag einen seiner Infanteristen zu Boden gestreckt hatte.

Der wich zum Esel zurück und tastete rücklings bis er einen Griff zu packen bekam. Er zog eine hässliche Axt aus dem Geschirr des Esels, ohne die beiden aus den Augen zu lassen, machte er ein paar Schritte, bis er mit dem Rücken zum Wald stand und beide stehenden Angreifer gut im Auge behalten konnte.

Klaas spuckte lautstark einen Strahl Kautabak aus, dann lachte er: „Na komm, ein Missverständnis, kein Grund zur Gewalt.“

Hark äugte dabei unglücklich die große Axt und sein kleines Messer und machte Anstalten es wieder einzustecken.

Für einen Augenblick entspannte sich der Große, dann hörte er einen Ast hinter sich knacken. Er versuchte herum zu fahren, aber es war zu spät, er bekam einen Sack über den Kopf gestülpt und jemand klammerte sich mit aller Kraft an der Axt fest, als er sie herumschwingen wollte. Als nächstes prasselten heftige Schläge mit dem Ochsenziemer auf seine Arme und Beine, bis er zu Boden ging und versuchte sich einzurollen.

Jori maulte immer noch wegen seiner wieder einmal gebrochenen Nase und Demmi grinste immer noch selbstgefällig, als sie den Mann zu Dritt schließlich gefesselt hatten.

„Was machen wir jetzt mit ihm?“ fragte Hark

„Genau“ nuschelte Jori „Warum schlitzen wir ihn nicht hier auf?“

„Wir quetschen ihn so lange aus, bis wir wissen wo sich der Rest versteckt hat.“ Erwiderte Klaas. „Mindestens muss er wissen wo das Mädchen ist, dass mit ihm die Klippe runter ist“.

„Außerdem zahlen sie gutes Geld in den Minen und fragen nicht groß, wo die Arbeiter herkommen. Müssen ja irgendwie den Verlust ausgleichen!“

Unwillig und immer noch mit dem Sack auf dem Kopf hievten sie ihn auf die Beine. Dann zerrten sie in den Weg entlang. Nach kurzem Zögern und einem Gertenschlag folgte der Esel dem Kohler.