Geschichten von Schwertern und Zauberei

Der Kohler – 20

This entry is part 20 of 25 in the series Der Kohler

Jagdhunde

Klaas Protest gegen den Einsatz der Wildhüter war auch bei Harald auf taube Ohren und zunehmend gereizte Erwiderungen gestoßen. (ToDo: bleibt das drin?) Anderklaas war noch nicht wieder auf den Beinen, Viaris Koch und Teilzeitfeldscher Wanja kümmerte sich um ihn, während sich Viari und Lethe darum kümmerten, dass Klaas nicht mehr zu ihm gelangte.

Schließlich gab er auf und pfiff seine Rotte zusammen. Er musterte seine verbliebenen fünf Männer, die etwas nervös im Halbkreis vor ihm standen. Links außen stand Ennu und blinzelte aus geröteten Augen. Als einziger trug er noch den traditionellen Kriegerzopf, obwohl Schläfen und Stirn dringend eine frische Rasur verlangten. Ziemlich groß und ziemlich dünn verlieh ihm die Frisur und der graue Armeeumhang etwas von einem Fischreiher. Bent neben ihm war fast genau so groß, aber deutlich breiter gebaut und stolz darauf. Trotz der morgendlichen Kälte hatte er keine Ärmel an seine Brigantine genestelt. Seine schmutzigblonden Haare waren wie immer unter einem schmutzigen Kopftuch verborgen.

Jori und Hark waren beide deutlich kleiner, aber mindestens so stämmig wie Bent. Die beiden kamen aus der schweren Infanterie, ihre Kompanie so stark dezimiert, dass sie bei der Umstrukturierung nach dem Bürgerkrieg irgendwie bei Uskar und somit bei Klaas gelandet waren. Ihre narbigen Gesichter und Unterarme sprachen Bände über ihre Erlebnisse in den letzten Feldzügen. Joris Nase war so häufig gebrochen, dass der Nasenschutz seines Helmes sie nicht mehr abdeckte und ihm fehlten die meisten Schneidezähne. Hark sah im Vergleich unverschämt gut, seine Narben zogen sich in ansprechenden silbrigen Linien durch seine Haut und sie unterstrichen seine hohen Wangenknochen und sein markantes Kinn.

Keiner würde bei einer Parade in der ersten Reihe aufgestellt werden und sie waren alle alt genug, um auch in der Schlacht in der zweiten zu bleiben. Aber immerhin waren alles Männer und sie machten was Klaas ihnen sagte. Auch wenn sie wie Demmi kaum zwei Minuten aufrecht stehen konnten. Der Pferdespezialist und Kundschafter war fließend von Habacht zu Schneidersitz gewechselt und blinzelte nun zu ihm hoch.

„Ist eine schöne Scheiße, wenn wir in die Stadt kommen und keinen Pfennig zum Versaufen haben“ maulte er.

 „Auf die Beine, Klötenlecker!“ herrschte Klaas ihn an: „Wir gehen jetzt alle in den Wald und sehen zu, dass wir die beiden wieder einfangen“

„Vier“ korrigierte ihn Bent. „Es sind vier von den Kindern im Wald verschwunden“

„Richtig du Schlaumeier“ Klaas sammelte sich kurz „Aber zwei sind den Waldweg lang oder hier oben im Wald verschwunden und zwei sind die Klippe runtergekraxelt. Du und Ennu seit am schnellsten auf den Beinen, lauft doch mal den Weg entlang zurück“

Bent wirkte einen Moment als wolle er widersprechen, dann nickte er.

„Worauf wartet ihr dann noch“ fauchte Klaas. „Und kommt bloss nicht mit leeren Händen zurück“

Nachdem Ennu und Bent sich auf den Weg gemacht hatten, wandte sich Klaas den anderen zu.

„Wir vier streifen oberhalb des Weges durch den Wald.“ Sagte er „Falls die beiden Turteltauben nicht zurück in Richtung ihres Dorfes geflohen sind, werden wir sicher Spuren von ihnen finden“

„Aber was ist mit den beiden, die die Klippe runter sind“, fragte Demmi, „überlassen wir die einfach den Wildhütern?“.

Jori murmelte zustimmend und fragend zugleich.

Klaas trat einen Schritt nach vorn und senkte etwas die Stimme: „Wir werden schon sehen, falls die drei mit Beute zurück kommen. Sollen sie doch uns die Arbeit abnehmen und die Blagen aus dem Wald hochschleppen. Ich lass mir aber meinen Sold nicht so einfach abnehmen“ Er streichelte sachte über seinen Messergriff.

Hark und Jori schauten sich kurz an, dann nickten die beiden. Demmi brauchte einen Moment länger, dann begann er zu grinsen.

Aufräumen

Der kleine graue Esel stapfte mühsam durch den schlammigen Wald. Das Geschirr der Schleppe schabte immer wieder unangenehm an dem tiefen Kratzer der sich quer über seine Rippen zog, dann zitterte seine Flanke. Neben ihm stapfte sein Herr, zog seinen Teil der Last. Sie schleiften gemeinsam den rothaarigen Jungen hinter sich über den feuchten Waldboden.

Der Große hatte sich sorgfältig um die Verletzung des Esels gekümmert, anschließend hatte er den Jungen notdürftig versorgt, der immer wieder Ohnmächtig wurde. Dann hatte er dem Esel und dem Jungen etwas Wasser gegeben und war anschließend mit dem Jungen auf den Armen bis zur Arbeitsstätte an den gefällten Bäumen gegangen. Er hatte einige der Äste so zusammengebunden, dass er den Jungen notdürftig darauf betten konnte, hatte dem Esel das Geschirr vorsichtig angelegt und beruhigende Geräusche gemacht, wenn er dabei an die Verletzung des Esels stieß.

„Na los Kleiner“ sagte er und der Esel zuckte überrascht mit den Ohren, dann setzte er sich in Bewegung.

Sie folgten dem schmalen steilen Anstieg, vorsichtig darauf bedacht, dass ihre Last nicht vom Weg abkam. Also der eine bedacht, der andere war nur etwas unglücklich.

***

Demmi war unglücklich im Wald. Krummbeinige Wilde und im Sattel geboren, wurde ihm und seinem Volk im Reich nachgesagt. Er hatte sich die Beleidigungen und Vorurteile stolz zu eigen gemacht, obwohl er selber nur am Rand der weiten flachen Steppen im Norden aufgewachsen war. Seine Familie zur Sesshaftigkeit gezwungen von einem Imperium, das keinen Platz für Nomaden hatte, egal wie groß es wurde. Die Armee hatte ihm einen Ausweg aus den Bretterbuden geboten, wenn auch nicht aus dem Alkoholismus, den er von seinen Eltern schon früh abgeguckt hatte.

Sein Talent als Reiter hielt ihn in den Reihen, der Alkohol nahm ihm jede Hoffnung auf Beförderung. Er fühlte sich tatsächlich zu Hause in Klaas‘ Rotte, wenn auch nicht wohl, sind schroffer Chauvinismus und ansatzlose Brutalität doch bewährte Mechanismen zum Umgang mit niederdrückenden Bedingungen. Das änderte nichts daran, dass sich Demmi unwohl fühlte im Wald. Eigentlich überall, wo er nicht den Horizont sehen konnte und auf jedem Ast Spinnen und Kriechtiere lauerten, die ihm in den Kragen kriechen wollten.

Es kam hinzu, dass Demmi im Wald völlig nutzlos war als Kundschafter. Er war der erste der zugab, dass er kaum Laub- von Nadelbaum unterscheiden konnte, geschweige denn die Feinheiten einer Fußspur von einer Wildfährte. Trotzdem hatte Klaas ihn am weitesten in Wald gejagt, so bekam er auch als letztes mit, dass die anderen wohl etwas auf dem Weg entdeckt hatten. In einem Bogen, um eine Reihe stacheliger Büsche zu umgehen, ging er vorsichtig herabhängende Äste vermeidend zurück zur Waldstraße.

Klaas hatte sofort mit der Suche beginnen wollen, aber Harald hatte darauf bestanden, dass sie ihren Teil zum Auflösen des Lagers beitrugen. Es war also schon später Vormittag gewesen, bis er mit dem Rest seiner Rotte aufbrechen und sich auf die Jagd machen konnte. Er hatte die verbleibenden drei mit dem Auftrag in den Wald geschickt in Sichtweite voneinander zu bleiben und Spuren oder besser noch die versteckten Jugendlichen zu finden. Er selber war auf dem Weg geblieben und versuchte wahlweise links oder rechts Abzweigungen zu entdecken. Er hatte die Spuren der drei Wildhüter abzweigen gesehen und war dem Harzschneiderpfad ein paar Meter gefolgt, hatte aber nur die Reste des Frühstücks und die Pferde vorgefunden. Zurück auf dem Weg war er wieder aufgeschlossen und sie waren methodisch und erfolglos der Waldstraße gefolgt, bis die Sonne deutlich über den Zenit stand.

Im Gegensatz zu seinen Kameraden im Wald war Klaas ausgeruht, fast gelangweilt, weil er nur sehr langsam auf dem breiten Weg vorankam, um die anderen im Wald nicht zu verlieren. Er hörte ein schleifendes Geräusch und das Knacken von Ästen von seiner linken Seite. Er pfiff leise und hob seine Faust. Aus dem Wald zu seiner Rechten hörte er Hark oder Jori’s leise Pfiffe als Antwort. Er machte einige Schritte zur Seite, blieb halb hinter einem Stamm und versuchte einen Eindruck zu bekommen, woher das Geräusch kam und was es verursachte. Jori war weniger vorsichtig und brach lautstark einige Meter vor ihm aus dem Unterholz, dich gefolgt von Hark, der ihm immerhin bedeutet leiser zu sein.

Sie alle sahen die riesenhafte Gestalt eines Waldarbeiters, die mit dem Rücken zu ihnen angestrengt etwas aus dem Wald zerrte. Mit straff gespannten Muskeln und keuchend zog er rückwärts erst den Esel und zum Schluss die Schleppe mit Janis vom schmalen steilen Wildpfad, dem sie aus dem Tiefwald gefolgt waren, auf den breiten Waldweg.

Dann stand er schwer atmend und mit dem Rücken zu ihnen auf dem Weg und bekam dadurch erst recht spät mit, dass er nicht allein war. Er drehte sich um und musterte die drei Soldaten misstrauisch.

Hark grinste breit, als er gefolgt von Jori auf den großen Mann zuging: „Guter Mann, da hat er uns aber einen Haufen Arbeit erspart!“

„Was wollt ihr?“ Erwiderte der andere etwas stockend

„Unseren Deserteur wieder einsammeln, für die Arbeit, die du mit ihm hattest wollen wir dir auch gern ein paar Münzen geben“ Hark kramte in einer Tasche.

Der Mann runzelte die Stirn: „Der Junge hat schon genug durchgemacht“ er schüttelte ablehnend den Kopf. Als Hark ihm ein paar Kupfermünzen hinstreckte.

Jori verlor die Geduld: „So oder so, wir nehmen ihn mit“ rief er und machte Anstalten den anderen Beiseite zu stoßen. Dann lag er stöhnend auf dem Boden und hielt sich das Gesicht. Während Hark einen Schritt zurücksprang und nach seinem Dolch am Gürtel griff.

Klaas nestelte seinen Ochsenziemer los und ging vorsichtig auf den Kerl zu, der gerade mit einem ansatzlosen Faustschlag einen seiner Infanteristen zu Boden gestreckt hatte.

Der wich zum Esel zurück und tastete rücklings bis er einen Griff zu packen bekam. Er zog eine hässliche Axt aus dem Geschirr des Esels, ohne die beiden aus den Augen zu lassen, machte er ein paar Schritte, bis er mit dem Rücken zum Wald stand und beide stehenden Angreifer gut im Auge behalten konnte.

Klaas spuckte lautstark einen Strahl Kautabak aus, dann lachte er: „Na komm, ein Missverständnis, kein Grund zur Gewalt.“

Hark äugte dabei unglücklich die große Axt und sein kleines Messer und machte Anstalten es wieder einzustecken.

Für einen Augenblick entspannte sich der Große, dann hörte er einen Ast hinter sich knacken. Er versuchte herum zu fahren, aber es war zu spät, er bekam einen Sack über den Kopf gestülpt und jemand klammerte sich mit aller Kraft an der Axt fest, als er sie herumschwingen wollte. Als nächstes prasselten heftige Schläge mit dem Ochsenziemer auf seine Arme und Beine, bis er zu Boden ging und versuchte sich einzurollen.

Jori maulte immer noch wegen seiner wieder einmal gebrochenen Nase und Demmi grinste immer noch selbstgefällig, als sie den Mann zu Dritt schließlich gefesselt hatten.

„Was machen wir jetzt mit ihm?“ fragte Hark

„Genau“ nuschelte Jori „Warum schlitzen wir ihn nicht hier auf?“

„Wir quetschen ihn so lange aus, bis wir wissen wo sich der Rest versteckt hat.“ Erwiderte Klaas. „Mindestens muss er wissen wo das Mädchen ist, dass mit ihm die Klippe runter ist“.

„Außerdem zahlen sie gutes Geld in den Minen und fragen nicht groß, wo die Arbeiter herkommen. Müssen ja irgendwie den Verlust ausgleichen!“

Unwillig und immer noch mit dem Sack auf dem Kopf hievten sie ihn auf die Beine. Dann zerrten sie in den Weg entlang. Nach kurzem Zögern und einem Gertenschlag folgte der Esel dem Kohler.

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