Geschichten von Schwertern und Zauberei

Der Kohler – 7

This entry is part 7 of 25 in the series Der Kohler

Auf dem Weg

Johan schaute angestrengt gerade aus. Er ritt am Beginn der Karawane, eine Pferdelänge vor Hauptmann Uskar und Truppmeisterin Viari, dessen zweiter Stellvertreterin. Die beiden hatten sich noch eine Weile unter dem Vorwand zu plaudern über ihn lustig gemacht, hatten aber schließlich, da er sich nur höchstens einsilbig äußerte, aufgegeben. Sie unterhielte sich jetzt in einem für ihn als Zivilsten fast unverständlichen Kauderwelsch, über Truppenbewegungen und was sie vom Sommer erwarteten. Beide schienen nicht besonders glücklich über die Aussicht auf Frontdienst, aber auch ausgesprochen gelangweilt von der Steuereskorte zu sein. Johan tat sein möglichstes sie auszublenden. Der Hauptmann machte ihm zwar schreckliche Angst, aber er löste bei ihm nicht den gleichen instinktiven Abscheu aus, wie Harald und Klaas, die ihn die letzten Tage fast ununterbrochen begleitet hatten. Uskar machte wenigstens alles was er tat mit einer perfiden aber eiskalten Absicht. Das vermittelte ihm die Illusion kontrollierbar zu sein, während Harald und Klaas sich mit einer gemeinen Freude an Gewalt und beiläufiger Brutalität ein tieferes Bedürfnis zu erfüllen schienen. Haralds Rang spiegelte dabei nicht nur seine höhere Intelligenz, sondern auch seine größere Beherrschtheit wieder. Bei Klaas war sich Johan sicher, dass der wie der Skorpion in der Fabel den Fuchs nicht nur stechen, sondern dabei auch unablässig kichern würde.

Hinter den beiden Offizieren kam der erste Wagen. Im Geschirr eingespannt waren zwölf Jugendliche aus Greifenstedt. Sie liefen bereits in einem passablen Gleichschritt, kräftesparender und flüssiger als der gemischte Trupp des zweiten Wagens. Die hier kamen nur zum Teil aus Greifenstedt sondern waren auch auf dem Weg eingesammelt worden, sie liefen tatsächlich erst seit heute Morgen zusammen. Obwohl sie sich schon zwei Tage an die Karren gewöhnen konnten, hatten sie noch keinen gemeinsamen Rhythmus gefunden. Am dritten Wagen waren nur zehn Plätze besetzt, er rollte mit einigem Abstand hinter den beiden anderen her und die drei Soldaten, die jeden Wagen direkt begleiteten, mussten dieser Gruppe am häufigsten nachhelfen.

Hinter jedem Wagen liefen gemütlich zwei Ochsen. Sie hatten ihre Aufgabe auf dem Herweg erfüllt und konnten sich nun mit Ochsendingen befassen.

Harald und Klaas ritten am Schluss der Kolonne, in der Arschlochposition, und das war Klaas Schuld, beziehungsweise die Strafe für sein Versagen heute Morgen im Hof. Klaas hatte bis zur ersten Rast auf der Lichtung am Waldrand missmutig geschwiegen und nur ab und zu die Kratzer in seinem Gesicht betatscht oder an dem Verband an seinem Ohr gepokelt. Die Pause war kurz gewesen und das kleine Bächlein bereits völlig zertrampelt und schlammig. Dennoch hatte er sich leider ausreichend erholt, um seinen Missmut nun auch grummelnd laut zu machen. Er pfiff erst die drei Männer seines Trupps zusammen, die dem Wagen zugeteilt waren, und schnauzte sie wegen des langsamen Tempos an, blaffte die Jugendlichen im Geschirr an und rüttelte an den Gitterstäben des Karrens. Der Junge im Wagen war erschrocken bis an das gegenüberliegende Gitter zurückgewichen, Das Mädchen hatte sich immer noch nicht gerührt, atmete aber auch noch. Klaas musterte sie eine Weile abschätzig.

„Ich hab für die Kleine ja bezahlt“ sagte er zu Harald, der eine Wasserflaschen in den Käfig reichte. „Für den Schaden den du ang’richt hast du Tölp“, brummte Harald. „Und sie ist doch auch für nichts gut, oder? Ich mein, ich bin schon ein ganzer Kerl, da knackt halt was, wenn ich drüber rutsche“ Klaas lachte gehässig „Wäre ja nicht das erste Mal“

„Hast für‘n Bock bezahlt, nicht für’s Mädel“ Harald schüttelte den Kopf „Schau, dass Pferd Wasser bekommn“ Klaas hatte erst einmal seine Arbeit gemacht, vielmehr seinen Trupp genötigt, sie zu erledigen. Die kurze Rast war eine willkommene Pause für Haralds Ohren, aber jetzt ging es wieder weiter und die beiden ritten am Ende des Zuges. Im Staub und einem dauernden Redefluss von all den Dingen, die Klaas im Allgemeinen normalerweise für sein Geld bekam – von Frauen im Besonderen.

Der letzte Wagen und der dazugehörige Trupp bekam keine weiter Pause. Sie quälten sich langsam und halbwegs stetig voran, bis sie in der beginnenden Abenddämmerung zu einer kleinen Blockhüttensiedlung kamen. Drei Hütten standen rechts vom Weg in einem Halbkreis auf einer flachen Lichtung. Der Boden der Lichtung war dunkel, fast schon schwarz und es wuchs kein Grashalm auf der freien Fläche. Der Grund wurde dunkler, je weiter er vom Waldweg entfernt war, am dunkelsten war er gegenüber am anderen Ende Lichtung. Hier stand ein gedrungenes steinernes Gebäude mit einem schmalen Turm oder überbreiten Schornstein.

Die ersten beiden Wägen waren bereits abgespannt, die Jugendlichen saßen erschöpft auf dem Boden. Im Zentrum der Lichtung brannte ein Feuer unter einem großen Topf, der an einem metallenen Dreibein hing.

„Haben es die werten Herren und Damen endlich geschafft“ begrüßte sie Viari. „Das Essen ist gleich fertig, also seht zu, dass ihr Wasser holt und eure Pferde versorgt, wenn ihr warm essen wollt, was Wanja und Lar heute kochen“ Sie drehte sich um: „Ach und ihr bringt jeder noch einen Armvoll Holz zum Feuer. Sonst gibt es auch nix.“

„Hör mal“ bauschte sich Klaas auf, „ihr seid doch schon lang genug hier, warum habt ihr denn kein Holz geholt?“

„Lass“ Harald fasste ihn am Arm

„Wir fressen den ganzen Tag ihren Staub und die Weiber können grade mal kochen, das seh ich nicht ein, denen Holz her zu schleifen“

„Dein Trupp hat außerdem Latrinendienst Klaas. Da drüben am Waldrand ist glaube ich eine gute Stelle“

Klaas wandte sich an Harald: „Das muss ich mir doch von der nicht sagen lassen“ Harald schüttelte den Kopf. Klaas grinste Viari an: „Siehst du..“

„Von mir“ unterbrach ihn Harald

„Was“ stotterte Klaas.

„Von mir lässt dir‘s sagen“ Harald saß ab.

Klaas stieg fluchend vom Pferd, Harald reichte ihm seine Zügel: „Kümmerst dich drum“

Harald ging mit ihr in Richtung des Lagerfeuers. „Die linke Hütte ist für Uskar und uns beide, in der Mitte ist mein Trupp und rechts kann sich Klaas einnisten.“ Sie zeigte die Hütten mit der Hand an.

„Ist mit der Großen?“

„Das ist eine Räucherhütte oder so etwas, stinkt widerlich und ist schmutzig“ sie zeigte ihm einen rußgeschwärzten Ärmel.

„Pechsieder, Feinruß“

Viari schaute ihn fragend an.

„Pechsieder leben hier Sommer, machen Ruß für Tinte, Feuer in der Hütte“

Viari brauchte einen einen Moment, bis sie das übersetzt und die fehlenden Worte ersetzt hatte, dann nickte sie.

„Danke“ sagte sie.

„Wofür?“

„Dass du meinen Befehl nicht widerrufen hast“

„Befehl ist Befehl, Fähnrich Rottmeister, Rottmeister gehorcht“

„Klaas ist widerspenstig genug, gerade wenn ich die Befehle gebe“

„Musst du klar kommen, braucht kein Schwanz für Befehle.“

„Ich brauch keinen Schwanz für Eier meinst du“

Sie waren bis zum Kochfeuer gekommen und der Koch hatte die letzten Worte gehört.

„Jeder weiß unsere Fähnrich hat die härtesten Eier“ Drehte er sich zu beiden um.

„Und auch nen härteren Schwanz als du, Wanja.“ rief die narbige Kriegerin, die neben ihm Wurzeln schnitt.

„Seit wann, schöne Lethe, kannst du Schwänze beurteilen.“

Die beiden flachsten noch eine Weile hin und her, bis Klaas missmutig fluchend und einen Haufen Äste auf den Stapel beim Feuer warf, sich eine Schale griff und lautstark zu essen begann.

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