Geschichten von Schwertern und Zauberei

Der Kohler – 1

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Auf dem Weg zum Kohlerhof

Esel und Kohler teilten sich die Arbeit. Der Weg in den Wald stieg lange aber stetig an und der Anstieg setzte sich zu den Säcken und auf die Achsen des Wagens, machte das letzte Stück des Weges noch einmal beschwerlicher. Ab und an überlegte der Esel, einfach stehen zu bleiben. Wie es eben die Art von Eseln ist, die schlauer sind, als Ochsen oder Pferde. Dann drehte er seinen grauen Kopf zur Seite und schaute zum Kohler hoch, der neben ihm lief und wie er an der Deichsel zog. Der Esel musste seinen Kopf recht weit drehen. Er war ein kleiner Esel und der Kohler war ein großer Mann.

Der Kohler blickte mal geradeaus und mal auf den Esel, aber er blieb nie stehen. Und weil die beiden sich die Arbeit teilten, blieb der Esel ebenfalls nicht stehen. Vielleicht aber auch weil manches Mal, wenn der Esel schaute, der Kohler eine Karotte aus der Tasche kramte und sie dem Esel reichte.

Blickte man hinter ihnen den Weg entlang und folgte  seinen Kurven, so einen guten halben Tag, kam man nach Borgstedt oder wie es neuerdings heißen sollte: Greifenstedt. Auf dem Hinweg hatte der Wagen Kohlen geladen und ein paar Fässchen Kiefernpech. Es war erst das vierte Mal, dass Kohler mit dem Esel nach Borgstedt gekommen war und es war das erste Mal, dass er allein war. Ohne den Altkohler, der ihn im vorletzten Herbst aufgenommen hatte. Der Altkohler hatte die letzten Male das Reden und Handeln übernommen, hatte den Jungkohler vorgestellt – so wurde aus dem Kohler erst der Altkohler – und vor dem letzten Winter, als der Husten ihn schon morgens und abends schüttelte, hatte er noch beim Vogt vorgesprochen, sodass aus dem Jungkohler der Kohler werden konnte.

Auf dem Rückweg war der Wagen mit Säcken beladen: Zwiebeln, Rüben, Mehl, Käse, Butter und Winteräpfel, außerdem Eier und drei lebende Hühner. Die hatte die Marktfrau mitleidig angesehen, als sie sie auf den Wagen band. Im Hochwald sagten sich Fuchs und Haas gute Nacht, wollte der Haas nicht zuhören, nahm der Fuchs eben Hühner. Aber der Kohler hatte nichts zu ihren Befürchtungen gesagt und so hatte sie alles von seiner Liste auf den Wagen gepackt.

Die beiden, Esel und Kohler, waren nun oben auf einer Lichtung im dicht bewaldeten Plateau angekommen und damit im Hochwald. Später im Frühling rasten auf dieser Lichtung die Fronarbeiter, Holzfäller und Pechsammler, im Herbst sammeln sich hier die Jäger. Ein munteres Bächlein floß ein Stück den Weg entlang, bei Tauwetter auch gerne einmal über den gesamten Weg. Der Esel blickte einmal wieder zum Kohler hoch und diesmal nickte der Hühne und die beiden blieben stehen.

Nachdem der Esel losgemacht war, knieten beide nebeneinander an den Bach und steckten ihre Köpfe in das eiskalte Wasser. Der eine zum Trinken und der andere, um sich abzukühlen. Der Esel warf den Kopf zurück und schüttelte sich, dass seine langen Ohren links und rechts flatterten. Der Kohler warf den Kopf zurück und das Wasser floss von seinem kahlen Schädel in den Saum der einfachen Tunika und in den langen, rotbraunen Bart. Er legte sich den Bart auf die Schulter und beugte sich noch einmal nach vorne, um diesmal auch zu trinken. Sie teilten sich einen Apfel und das Gras. Einer fraßes, einer lag ein paar Minuten darauf. Dann stellte sich der Kohler wieder zum Wagen und der Esel überlegte sich wieder, ob er nicht einfach stehen bleiben sollte.

Zum Einbruch der Dunkelheit etwa werden die beiden an der Kohlerhütte ankommen. Wie die Krähe fliegt, war das gar nicht mehr weit weg. Der Wald wurde hier aber rasch so dicht, dass gar keine Krähen mehr quer flogen.

Ein zweiter Apfel überredete den Esel zum Wagen zu kommen und sich auf den letzten Teil ihres Weges zu machen.

Der Hauptweg durch den Wald war mindestens ochsenkarrenbreit, zumeist breiter. Nach dem Winter war er noch reichlich schlammig und verkommen. In den nächsten Wochen werden die Fronarbeiter ihn wieder frei räumen und befestigen, bis zum Hochpass und der alten Garnison an der alten Grenze zum Reich. Borgstedt hatte die Garnison schon lange nicht mehr besetzt, obwohl dies die Lehnspflicht der Herren von Borg war.

Die Familie Greif würde nun die Grenzgarnison auch nicht mehr besetzen müssen, schließlich war es keine Grenze mehr, der breite Waldweg nun eine wichtige Handelsroute im Reich.

Von dieser bogen Esel und Kohler an einer Kreuzung mit einem geräumigen Unterstand ab. Hier zum Unterstand brachte der Kohler sonst seine Kohlen. Die Minen auf beiden Seiten des Passes hatten einen ständigen Hunger nach Brennstoff. So wie die Armeen des Reiches einen ständigen Hunger nach Eisen hatten. Am Unterstand hing an einem breiten Baum ein schmaler Käfig, der größtenteils leer war. Die paar Knochen am Boden des Käfigs lockten schon lange keine Krähen mehr an, erinnerten aber daran, was passierte, wenn man mit einem Wagen voller Kohle erwischt wurde,die man nicht bezahlt hatte.

Hinter der Kreuzung wurde der Weg schmal und beschwerlich. Der Wagen war auch noch ein wenig schwerer als vorher, weil der Kohler vom Unterstand zwei Eimer groben Kies mitgenommen hatte. Die kippte er in die größten Löcher im Weg und stampfte sie mit den Füßen fest. So war es bereits sehr dunkel, bis sie zur Kohlerhütte kamen. Die Sonne war untergegangen, der Himmel bewölkt und der Mond stand noch hinter den Bäumen. Die Lichtung war kaum mehr zu sehen, der Geruch nach Kiefernteer und altem Feuer aber unverkennbar, auch wenn gerade kein Meiler qualmte.

Kohler und Esel zogen den Karren zur Hütte. Aus dem angrenzenden Unterstand, mehr ein Überhang vom Dach, meckerte Ziege dem Esel eine Begrüßung zu. Der Kohler spannte den Esel ab und führte ihn mit einer Handvoll Heu tief gebückt, also der Kohler, nicht der Esel, in den Unterstand. Geübt verstellte er dabei der Ziege den Weg nach draußen, bevor er sie auch mit dem Heu zum Trog lockte. Zwei Handvoll Futter aus einem beinahe leeren Sack später, waren die beiden mit Abendbrot beschäftigt. Der Kohler hatte noch eine Weile zu tun.

Er lud die Säcke und Hühner vom Karren und trug sie in die Hütte, schob den Karren an die Hüttenwand und ging hinein. Er tastete sich die Deckenbalken entlang bis zum gemauerten Herd, kniete nieder und blies vorsichtig auf die Kohlen im Herd und fütterte die glimmenden Kohlen sorgsam mit Ästchen und Spänen. Erst als hier wieder ein kleines Feuer brannte, entzündete er mit einem Span eine Pechlaterne unter dem Rauchabzug und erhellte die Hütte.

Der rötliche Schein beleuchtete zwei an die Wand gebaute Betten, eines gemacht und eines leer. Ein kleines Tischchen und ein Hocker waren rechts von der Kochstelle, darüber hing eine Pfanne und ein Topf stand neben dem Feuer im Herd. Neben der Tür lehnte ein grob gezimmerter Werkzeugständer. Darin hingen mehrere Äxte, Beile und Haken sowie zwei Sägen.

Im schwachen Licht schnitt sich der Kohler eine Scheibe hartes, dunkles Brot ab und schöpfte darauf vom lauwarmen Brei aus dem Topf. Er aß nur wenige Bissen, bevor er die Reste durch das Fensterchen in den Unterstand warf. Weder Esel noch Geiß ließen sich lange bitte.

Dann streckte sich der Kohler so gut es ging auf dem kurzen Bett aus, schaute nicht an die Stelle über der Tür, blies die Laterne aus und schloss die Augen.

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