Geschichten von Schwertern und Zauberei

Der Kohler – 25

This entry is part 25 of 25 in the series Der Kohler

Noch ein Ende

Die Kohlerhütte war eng geworden, spätestens als ihr Besitzer sich unter dem niedrigen Türsturz durchbückte, mit dem fiebernden Janis auf seinem Arm, war sie übervoll.

Ana hatte gerade Hagen auf dem leeren Bett ein Lager gerichtet und sie drückte sich erschrocken an die Wand daneben, als der Hüne die Tür aufstieß. Ihr Blick ging vom blutverschmierten Mann zu den Werkzeugen an der Wand. Sie spannte sich zitternd.

„Hab keine Angst“ hörte sie ihn mit überraschend hoher und schöner Stimme sagen.

Er legte Janis vorsichtig auf dem zweiten Bett ab

„Vorerst gibt es niemanden mehr im Wald, der uns etwas böses will, du bist bei mir sicher.“ fuhr er fort.

Und so wie er das sagte, stimmte es auch, wusste Ana.

Die nächsten Tage kümmerten sie sich um die beiden. Janis lag im linken Bett, Haagen im Rechten und der Kohler und Ana teilten sich den schmalen Streifen warmen Bodens vor der Feuerstelle. Nach der ersten faden Graupensuppe, hatte Ana das Kochen übernommen, und der Kohler ließ sie nur zu gerne gewähren, auch wenn er ihr freundlich aber bestimmt verbot das Huhn, das keine Eier legte, zu schlachten. Sie sprachen wenig und er verbrachte viel Zeit draußen, kümmerte sich um den großen Kaltblüter, den er vom Plateau mitgenommen hatte und machte Köhler Dinge, wenn auch etwas zögerlich. Nur einmal wurde er heftig, als Ana ihn auf die Laute über der Tür ansprach und er unfreundlich verneinte, dass er damit nichts anfange könne.

Wie immer erwachte der Kohler am dritten Morgen als erster. Er lag noch einen Moment in der kalten Stille und genoss ein wenig nicht alleine zu sein. Er lauschte dem leisen rumoren von Esel und Ziege und horchte auf den Atem der jungen Leute, die bei ihm zumindest einen vorübergehenden Unterschlupf gefunden hatten. Ana schnarchte leise mit halb geöffneten Mund, Janis wimmerte etwas, in den Morgenstunden plagten in Alpträume, das konnte er gut nachvollziehen.

Vom rechten Bett hörte er nichts. Haagen hatte gestern Abend wieder über heftigere Kopfschmerzen geklagt, also stand er jetzt auf und ging lautlos und vorsichtig, um die anderen nicht zu wecken, zum rechten Bett. Der Junge war bereits eiskalt. Er seufzte, dann ging er nach draußen auf die halbdunkle Lichtung und fing an zu graben.

Ana wurde wach, als der Kohler begann den halbfertigen Kohlenmeiler umzuschichten. Janis war schon auf, nur vom rechten Bett rührte sich nichts. Sie sah die Tränen, die ihm herunterliefen und ihr war klar, was geschehen war.

Nachdem sie ein paar Minuten still geweint hatte, sagte sie zu Janis nur: „Hilf mir“.

Dann trugen sie gemeinsam den schon steif werden Haagen nach draußen.

Als sie mühsam mit ihrer sperrigen Last durch die enge Tür kamen, sahen sie, dass der Kohler den halbfertige Meiler zu einem Scheiterhaufen umgebaut hatte. Gerade hob er aus einem Loch im Boden ein in Öltuch gewickeltes langes Bündel.

„Lasst mich helfen“, er legte das klirrende Bündel ab und half ihnen den Freund auf den Scheiterhaufen zu betten.

„Das wird furchtbar stinken auf der Lichtung“ sagte er während er einen Krug Kiefernpech großflächig verteilte.

„Ich werde also aufbrechen, sobald das Feuer entfacht ist“

„Wo gehst du hin?“ fragte ihn Ana

„Ich habe mich lang genug hier im Wald vor der Geschichte verborgen, aber jetzt möchte ich wissen, was mit meinen Kameraden passiert ist“

„Lass mich mitkommen“ sagte Janis „ich will denen hinterher, die müssen bezahlen für das was sie angerichtet haben“

„Bist du auch auf den Kopf gefallen?“ fragte ihn Ana schroff

Der große Krieger blickte die beiden an: „Ana hat recht, aber du auch, schlussendlich muss einer aufstehen und beginnen sich zu wehren. Dann werden die Söhne und Töchter von Fronbauern zu Helden und folgen Tänzerinnen und Schaustellern in den Tod“

Er schlug das Öltuch auf, griff das Schwert und die langstielige Axt.

„Wenn du dich erholt hast, wenn du im Sommer immer noch glaubst, dich rächen zu müssen, dann reite zum Feld auf dem das Reich begonnen wurde und auf dem wir es beenden wollten.“

Janis nickte heftig: „Ich werden kommen, sicher, wie finde ich dich“

„Frag nach Marius, frag nach der singenden Klinge..“ er lächelte kalt

Er kraulte den kleinen grauen Esel noch einmal zwischen den Ohren und nahm den mächtigen Kaltblüter an der Trense

Ana war derweil zur Hütte gerannt und sie kam mit der Laute in der Hand wieder heraus. Streckte sie ihm entgegen

„Ich bin noch nicht wieder so weit, zu singen“ der Kohler schüttelte den Kopf

„Aber du wirst Lieder schreiben“ sie kam noch einen Schritt näher

Marius nahm die Laute vorsichtig in die Hand, dann ging er das letzte Mal den kleinen Pfad weg von der Kohlerhütte.

Epilog

Der junge Mann und der kleine Esel teilten sich die Arbeit. Zusammen hatten sie methodisch die Lichtung vor dem Tümpel aufgeräumt, er hatte die Leichen der Wildhüter entkleidet durchsucht und gemeinsam hatten sie die drei einige Schritte von der Lichtung zu einer Wildschweinsuhle gezerrt. Einige Male blieben sie fast im Morast stecken, der nach den anhaltenden Regenfällen der letzten Tage noch tiefer war als sonst.

Er hatte erst überlegt, Klaas einfach im Wasser zu lassen, aber der Kohler hatte ihn davor gewarnt, dass er nur unnötig das Wasser vergiften würde. Also schwamm er durch das undurchsichtige Wasser zur aufrecht im Wasser stehenden Leiche des Soldaten und versuchte dabei die sachten Berührungen von schleimigen Wasserpflanzen zu ignorieren. Er fürchtete schon hinabtauchen und ihn blind los schneiden zu müssen, aber nachdem er Klaas das Seil um den Gürtel gebunden hatte, kam der schon durch einen leichten Zug los und begann fast von selber in Richtung des Tümpelrandes zu treiben. Gemeinsam hatten sie ihn also rasch bei den Wildschweinen abgelegt.

Jetzt stand er aber zitternd am Rand und lehnte sich erschöpft an eine der Eichen, die den Teich einfassten. Mehrmals war er durch das Wasser zur Sacht am Fuß der Sumpfeiche treibenden Marie geschwommen. Und er hatte sie keinen Millimeter in Richtung des Randes bewegen können. Beim letzten Mal hatte er sich in einigen Wurzeln verfangen und die Arme der Eiche hatten unwillig geschwankt und geraschelt, während er sich aus ihren Füßen wand.

Der Baum an dem er lehnte knarrte und schwankte ein wenig, obwohl es hier unten am Fuß der Klippe windstill war. Janis schluckte trocken, dann nickte er dem Esel zu, der einige Meter vom Teich entfernt in der Sonne stand. „Komm Kleiner, gehen wir nach Haus“.

– Ende –

Series Navigation<< Der Kohler – 24